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In aller Unschuld Thriller

In aller Unschuld Thriller

Titel: In aller Unschuld Thriller
Autoren: Tami Hoag
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großen Respekt vor unserem Rechtssystem haben, Mr. Scott«, sagte Carey mit todernster Miene.
    Scott bemerkte seinen Fehler und stotterte schnell irgendetwas, um darüber hinwegzuspielen. Carey hob abwehrend eine Hand. Sie wünschte, die Erde würde sich auftun und Kenny Scott, Chris Logan und diesen ganzen albtraumhaften Fall verschlingen.
    »Die Anklage steht«, sagte sie. »Die Geschworenen sollen entscheiden, ob der Staat genügend Beweismittel hat, um Ihren Mandanten zu verurteilen, Mr. Scott.«
    Sie warf Logan einen Blick zu, den er noch gut aus der Zeit, als sie beide für die Staatsanwaltschaft gearbeitet hatten, kannte. »Und wenn nicht, Mr. Logan … nun, dann möge Gott Ihnen helfen.«
    Sie erhob sich von ihrem Schreibtisch und nickte in Richtung Tür. »Meine Herren …«
    Kenny Scott sprang von seinem Stuhl auf. »Aber Euer Ehren, sollten wir nicht noch einmal über die Möglichkeit einer Kaution sprechen?«
    »Nein.«
    »Aber mein Mandant …«
    »Kann sich glücklich schätzen, dass er sich in einem geschützten Gebäude befindet, zu dem die Öffentlichkeit keinen Zutritt hat«, sagte sie. »Angesichts der aufgeheizten Stimmung in der Stadt wäre eine Freilassung auf Kaution sicherlich nicht im Interesse Ihres Mandanten. Geben Sie sich mit dem Erreichten zufrieden, Mr. Scott.«
    Scott verbeugte sich kurz und nickte. »Ja, Ma'am.«
    »Und nennen Sie mich nicht Ma'am.«
    »Nein. Es tut mir Leid, Euer Ehren. Ich wollte es nicht an Respekt fehlen lassen.«
    »Gehen Sie jetzt bitte.«
    »Ja, Ma …, ja natürlich.«
    Er hob entschuldigend die Hände, dann tastete er nervös nach seiner Aktentasche und stolperte beinahe über seine Füße, als er zur Tür hastete.
    Logan blieb noch einen Moment, sagte aber nichts. Das musste er auch nicht. Carey wusste genau, was ihm durch den Kopf ging. Dann stieß er einen beleidigten Seufzer aus und schritt entschlossen zur Tür. Ein Mann mit einem Ziel.
    Die Flasche Scotch in der untersten rechten Schublade seines Schreibtischs.
    »Trink einen für mich mit«, murmelte sie.

2
    Schlechte Nachrichten bringt man am besten Freitagnachmittag an die Öffentlichkeit. Die Steuern werden erhöht, die Wirtschaftslage verschlechtert sich, weitere Truppen werden an irgendeinen Krisenherd in der Dritten Welt geschickt – solche Dinge verbreitet man freitagnachmittags. Die Leute haben ihre Arbeitswoche hinter sich, freuen sich auf zwei freie Tage, machen sich auf den Weg, um das Wochenende an einem See zu verbringen. Man kann damit rechnen, dass sie mit tausend anderen Sachen als den Nachrichten beschäftigt sind.
    Detective Stan Dempsey wusste, wie der Laden lief. Als Polizist und Exsoldat kannte er die Schattenseiten des politischen Lebens nur zu gut. Für die Leute, die Machtpositionen besetzten, hatte er im Grunde nur Verachtung übrig. Es waren Leute, die nur mal eben mit der Hand wedelten, eine Schulter zuckten, die Augenbraue hoben und damit das Leben anderer auf den Kopf stellten, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden. Leute wie Carey Moore, die Richterin.
    Der Gedanke, dass sie eine Autoritätsposition bekleidete und über die Fälle, die er aufgebaut hatte, zu urteilen hatte, kam ihm seltsam vor. Sie schien zu jung zu sein, zu hübsch. Gegen sie fühlte er sich steinalt. Er hatte schon eine Polizeiuniform getragen, als sie noch in den Windeln lag.
    Immer wieder hatte er mit Carey Moore zu tun gehabt, während sie sich in der Staatsanwaltschaft nach oben arbeitete. Eine gute Anklagevertreterin. Gewitzt. Unnachgiebig. Hatte sich nie die Butter vom Brot nehmen lassen, auch wenn sie mit ihren großen blauen Augen und der niedlichen Stupsnase einen völlig anderen Eindruck machte.
    Dempsey konnte sich nicht erklären, was mit ihr passiert war, seit sie zur Richterin ernannt worden war. Er und seine Kollegen hatten geglaubt, mit ihr hätten sie jemanden auf dem Richterstuhl sitzen, der sich nicht von den Verteidigern einwickeln ließe, kurzen Prozess machen würde mit dem Gesindel, das auf der Anklagebank saß. Sie hatten im Grunde von ihr eine Garantie für harte Urteile erwartet – nach dem Motto: Geh nicht über LOS, geh gleich ins Gefängnis.
    Diese Erwartung hatte sie in keiner Weise erfüllt. In der Richterrobe war sie ein anderer Mensch, gab absurden Einsprüchen seitens der Verteidigung statt, ließ zu, dass die Arbeit der Polizei, auf die sie sich einst verlassen hatte, in Frage gestellt und mitunter sogar ins Lächerliche gezogen wurde. Und was ihre
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