Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
In aller Unschuld Thriller

In aller Unschuld Thriller

Titel: In aller Unschuld Thriller
Autoren: Tami Hoag
Vom Netzwerk:
zurückgekommen, um sein Werk noch einmal in Augenschein zu nehmen«, sagte Logan.
    »Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn. Warum sollte er zu einer Zeit an den Schauplatz seines Verbrechens zurückkehren, zu der die Leute von der Arbeit nach Hause kommen …«
    »Dann wollte er eben noch den Vater und das älteste Kind umbringen …«
    »Wo haben Sie eigentlich Ihre Wahrsagekugel her, Logan?«,
    fragte Scott. »Vielleicht können wir uns ja alle eine besorgen. Oder der Staat kauft sie en gros ein und verteilt sie an alle Strafverfolgungsbehörden …«
    Missbilligend hob Carey eine Braue. »Ihr Sarkasmus hat hier nichts zu suchen, Mr. Scott.«
    Logan ergriff wieder das Wort. »Wir müssen hier eine Ausnahme von der Regel machen, Euer Ehren. Der Mann ist ein Serienmörder, der am Anfang seiner Laufbahn steht. Wenn wir ihn jetzt nicht aufhalten …«
    Carey hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. Ihre Schläfen pochten vor Schmerz. Von Beginn ihres Studiums an war es ihr Ziel gewesen, in diesem Zimmer zu sitzen, die Richterrobe zu tragen, Urteile zu fällen – und dieses Ziel hatte sie auch in den Jahren, in denen sie die verschiedensten Positionen im Strafrechtswesen bekleidet hatte, nicht aus den Augen verloren.
    In diesem Moment wünschte sie jedoch, sie hätte auf ihre Großmutter gehört und ihre Schreibmaschinenkenntnisse vervollkommnet, um als Sekretärin arbeiten zu können, falls sie nicht den richtigen Ehemann fand.
    Sie nahm die Verantwortung, die mit dem Vorsitz in einem Gerichtsverfahren verbunden war, nicht auf die leichte Schulter. Da sie lange Zeit erfolgreich als Anklagevertreterin gearbeitet hatte, erwarteten die Leute, dass sie eher auf der Seite der Anklage stand – und sie hatte viele Mühen auf sich genommen, diese Erwartung zu enttäuschen.
    Als Anklagevertreterin war es ihre Aufgabe gewesen, mit allen rechtlichen Mitteln, die ihr zu Gebote standen, die Verurteilung eines Angeklagten zu erreichen. Als Richterin war es dagegen ihre Aufgabe, unvoreingenommen zu sein, sich auf keine Seite zu schlagen, die Waagschalen Justitias im Gleichgewicht zu halten, so dass jedes Urteil allein aufgrund der vorgelegten relevanten Fakten und Beweise gefällt wurde.
    Carey durfte keine Partei ergreifen, egal was sie persönlich von einem Fall hielt. Und das fiel ihr gerade in diesem Fall außerordentlich schwer. Zwei Kinder waren misshandelt, gequält, ermordet und schließlich an einem Seil an der Decke eines Kellers aufgeknüpft worden.
    Sie war selbst Mutter. Die Vorstellung, jemand könnte ihrer Tochter etwas antun, rief ein Entsetzen und eine Wut in ihr wach, die sich nicht in Worte fassen ließen. Sie hatte die Fotos und das Videoband vom Tatort gesehen. Die Bilder verfolgten sie.
    Die Pflegemutter der Kinder war vergewaltigt und gequält worden, man hatte ihren Körper von der Kehle bis zum Schambein aufgeschlitzt. Zwar hatte der Gerichtsmediziner festgestellt, dass die Frau zu diesem Zeitpunkt bereits tot gewesen war, aber kein Mensch wusste, was sich vor ihrem Tod direkt vor ihren Augen abgespielt hatte. Vielleicht hatte sie mit ansehen müssen, wie ihren Kindern unbeschreibliche Gewalt angetan wurde. Vielleicht hatten die Kinder mit ansehen müssen, wie ihr unbeschreibliche Gewalt angetan wurde. Wie auch immer es gewesen war, es war ein Albtraum, der aus den dunkelsten, primitivsten, von Furcht erfüllten Bereichen des Inneren eines Menschen aufstieg.
    Aber als Richterin konnte Carey dieses Grauen nicht dem Angeklagten in diesem Prozess zuschreiben. Ihre Entscheidung in der vorliegenden Sache durfte nicht von ihren eigenen Ängsten oder ihrem Abscheu beeinflusst werden. Sie durfte sich nicht danach richten, was andere von ihr erwarteten. Ein Gerichtsverfahren war kein Wettstreit um die Gunst der Leute.
    Zumindest in der Theorie.
    Sie holte tief Luft und seufzte, das Gewicht der Entscheidung lastete schwer auf ihr. Die Augen der beiden Anwälte waren auf sie gerichtet. Kenny Scott machte den Eindruck, als wartete er darauf, dass ihm seine Strafe verkündet wurde. Logans Ungeduld war geradezu greifbar. Er starrte sie an, so als könne er ihren Spruch durch seine Willenskraft beeinflussen.
    Carey kämpfte gegen eine aufsteigende Übelkeit an. Rede endlich. Bring's hinter dich.
    » Ich habe ihre Anträge gelesen, meine Herren«, sagte sie. »Und ich bin mir durchaus darüber im Klaren, welche Bedeutung meine Entscheidung für diesen Fall haben wird. Eines weiß ich jedenfalls gewiss: Keiner von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher