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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben
Autoren: Rob Alef
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du?«
    Löffelholz hielt ein Smartphone in seiner Latexhand. »Die Daten auslesen, sobald ich diesen Fundort ordnungsgemäß protokolliert habe.« Er winkte die beiden Leichenträger heran, die brav in einer Ecke auf ihr Zeichen gewartet hatten. Als sie den Leichensack von den Grabsteinen wuchteten, kam eine verwaschene Inschrift zum Vorschein.
Ewige Ruhestätte meiner geliebten Eltern …
Der Rest war unleserlich, weil auf dem Grabstein ein Zettel klebte:
Belegzeit abgelaufen. Grabstelle wird nicht erneuert
. Bördensen sah dem Leichensack nach. Die Ewigkeit war auch nicht mehr das, was sie mal gewesen war.
    Zabriskie wartete, bis der Fotograf der Spurensicherung seine Tasche schulterte und zu seinem Wagen ging. Er hatte intensiv mit Plink gefachsimpelt, das heißt, eigentlich hatte er vor allem zugehört, als Plink ihm wort- und gestenreich ihre Ideen zum Tatort erläutert hatte.
    Zabriskies Verhältnis zu Engine Plink war kompliziert, um nicht zu sagen angespannt. Sie erkannte die fachlichen Fähigkeiten der Spurenexpertin an, mochte es aber nicht, wenn Plink sie wie eine Schülerin von oben herab belehrte. Vielleicht machte sie das gar nicht absichtlich, vielleicht wusste sie nur viel mehr als Zabriskie, aber Zabriskie wollte trotzdem nicht geschulmeistert werden.
    »Die Zeugin sagte, es gibt einen alten Nebeneingang zum Friedhof. Sollen wir da mal schauen?«
    »Alt heißt geschlossen?«, fragte Plink.
    »Seit zwanzig Jahren«, sagte Zabriskie. Genau das war es. Dieses Gefühl, als ob sie gerade etwas offensichtlich vollkommen Dämliches vorgeschlagen hätte.
    »Wir haben ja sonst nichts zu tun«, sagte Plink. »Zu zweit einen ganzen Friedhof absuchen.«
    Löffelholz spazierte in seinem weißen Overall zwischen den Grabsteinen am Flussufer entlang und starrte auf den Boden.
    Zabriskie sagte nichts. Alle hatten Personalnot. Wenn ein erweiterter Tatortbereich größer war als zehn mal zehn Meter, stießen sie an die Grenzen ihrer Möglichkeiten.
    Plink und Zabriskie gingen zu der alten Tür. Sie hatte keinen Anstrich mehr und hing schief in den Scharnieren. Ein rostiger Riegel hielt sie an ihrem Platz.
    »Verschlossen«, sagte Plink, nachdem sie einen Blick darauf geworfen hatte.
    »Sind Sie sicher?« Zabriskie konnte den Riegel kaum vom Holz unterscheiden. Sie rüttelte an der Tür. Plink hatte recht.
    Die Leiterin der Spurensicherung warf ihre roten Locken zurück. »Ich fahre jetzt ins Labor. Es gibt Spuren auf der Kleidung der Toten. Wenn Sie wollen, nehme ich Sie ins Präsidium mit.«
    »Sehr gerne«, sagte Zabriskie.
    »Wo ist eigentlich Pachulke?«, fragte Plink.
    »Pachulke pflegt seinen Fetisch.« Zabriskie zuckte mit den Schultern.
    »Schwarzes Leder?«, fragte Plink.
    Jetzt mussten beide Frauen grinsen.
    »Schwarze Scheiben«, sagte Zabriskie.

4
    Hauptkommissar Pachulke saß in der ersten Reihe auf dem ersten Platz rechts vom Mittelgang und studierte den Katalog. Ein Musikjournalist war gestorben, einer von den alten, bewandert, belesen, mit einem stupenden Wissen, einer großen Bibliothek und einer noch größeren Plattensammlung, die auf beiläufige Art das Interesse des Verstorbenen an allem und nichts deutlich machte. Die Platten standen zur Ansicht für die Auktionsgäste in Boxen auf quadratischen Tischen, immer vier Boxen auf einem Tisch. Keine Weinkisten wie früher, sondern stabile Leichtmetallboxen.
    Es gab frühe ethnologische Aufnahmen der Library of Congress, seltenen Punk aus den siebziger Jahren, Platten, von denen weniger als hundert Exemplare gepresst worden waren. Es gab Bootlegs und Outtakes, Studio Sessions, südkoreanische Raubpressungen von Iggy and the Stooges und in der riesigen Klassikabteilung unter anderem Opernmitschnitte aus Italien aus den vierziger Jahren, entstanden unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
    Pachulke hatte den Katalog sorgfältig durchgearbeitet, zahlreiche Einträge trugen Sternchen
(interessant)
, einige wenige Ausrufezeichen
(sehr interessant)
. Nicht wenige Einträge hatten ein Häkchen
(hab ich schon)
. Die Nummer 256 hatte er mit zwei Doppelstrichen links und rechts deutlich markiert. Nummer 256 war eine Sammlung mit Aufnahmen von Artur Rubinstein. Zweihundertvierzig Schallplatten, entstanden in den fünfziger Jahren. Pachulke hatte natürlich etwas von Rubinstein zu Hause, zum Teil Einspielungen derselben Stücke, die hier versteigert wurden. Aber diese Sammlung war so einmalig, weil sie die Arbeit im Studio im Detail dokumentierte.
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