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Immer eine Frau auf Eis

Immer eine Frau auf Eis

Titel: Immer eine Frau auf Eis
Autoren: Carter Brown
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Sturmlaterne
stammte und eine Szene wie auf einem Stich von Hogarth erleuchtete. Er hätte
»Die Grabschänder« heißen können.
    Jemand hatte einen tiefen
Graben ausgehoben, an dessen einem Ende eine gebeugte
Gestalt stand und wie ein Raubvogel in die Tiefe starrte. Ich drückte mich an
den Felsen und wartete. Eine lange Minute verging, dann fühlte ich, wie mir die
Haare zu Berge stiegen, als sich zentimeterweise ein sandverkrusteter Kopf über
den Grabrand hob. Ihm folgten langsam Schulter und
Brust, bis der ganze Körper plötzlich vorwärtsgeschleudert wurde und zu Füßen
der gebeugten Gestalt landete. Jetzt tauchten Kopf und Rumpf Don Lechners auf
und wenige Sekunden später auch Rodney Martins Torso.
    »Gut«, sagte die gebeugte
Gestalt mit verdrießlicher Stimme, die Charlie Vanossa gehörte. »Steht nicht herum. Wenn wir den Kerl los sind, müssen wir noch das
Grab zuschütten .«
    Ich nahm meine Achtunddreißiger aus dem Halfter, entsicherte sie und rief:
»Die Jungens sehen aber ziemlich erschöpft aus, Charlie! Warum lassen Sie nicht
einfach alles so liegen ?«
    Charlie erstarrte in seiner
gebückten Haltung, aber seine Freunde im Loch reagierten wirklich sehenswert.
Beide sprangen instinktiv rückwärts, bis sie gegen die Grabenwand prallten.
Lechner mußte die Leiche bei meinen Worten noch festgehalten haben, denn nun
glitt sie langsam wieder zurück. Das letzte, was ich von ihr sah, waren die
sandigen Hände, die mir schlaff zuwinkten, bevor sie endgültig verschwanden.
    »Boyd?« Charlie drehte langsam
den Kopf und suchte mit den Augen den Felsen ab. Er hatte aber kaum eine
Chance, mich im Schatten der Klippe zu erkennen.
    »Ja, samt Pistole«, bestätigte
ich. »Bei dem trauten Schein der Laterne könnte ich keinen von euch verfehlen .«
    »Woher konnten Sie...« Er
unterbrach sich plötzlich und ließ die Schultern sinken. »Es war nur ein Trick,
was Karen mir ausrichtete. Daß Sie den Toten morgen früh suchen wollten«,
konstatierte er bitter.
    »Ich dachte mir, daß Sie ihn
nicht sehr weit vom Haus entfernt versteckt haben konnten«, erwiderte ich.
»Aber trotzdem hätte ich den ganzen Sommer erfolglos im Sand graben können.
Außerdem habe ich ganz richtig vermutet, daß Sie zu Panik neigen, Charlie .«
    »Und was geschieht jetzt ?« krächzte er.
    »Sagen Sie Ihren
Spielgefährten, daß sie aus dem Sandkasten rauskommen sollen. Dann gehen wir
zusammen ins Haus und unterhalten uns in Ruhe .«
    Lechner und Martin kletterten
eilig aus dem Grab und stellten sich neben Charlie.
    »Lechner«, sagte ich. »Sie
gehen mit der Laterne voran, dann kommt Martin und zuletzt Charlie. Ich halte
Charlie die Pistole in den Rücken. Falls Sie also etwas Unüberlegtes tun
sollten, Lechner, kriegt Ihr Freund eine Kugel verpaßt !«
    Lechner zögerte einen
Augenblick, packte dann die Laterne und ging auf die Treppe zu. Martin folgte
ihm, und Charlie machte den Schluß. Ich wartete, bis die drei an mir vorbei
waren, und bohrte Charlie meine Achtunddreißiger in
die gut gepolsterten Rippen. Er kreischte auf und sprang fast aus den Schuhen.
    »Ich kenne Ihre Abneigung gegen
physische Gewalt, Charlie«, murmelte ich verständnisvoll. »Bitten Sie Ihren
Freund beizeiten, vernünftig zu sein .«
    Wir stiegen die Stufen hinauf
und erreichten die nasse Wiese ohne Zwischenfall. Ich spähte in die Dunkelheit,
konnte jedoch nichts von Karen entdecken. Endlich klammerte sich eine nervöse
Hand um meinen Arm.
    »Boyd!« Sie stand plötzlich wie
hergezaubert neben mir. »Was ist los ?«
    »Heben wir uns das auf, bis wir
im Hause sind«, erwiderte ich.
    »Sie können nicht in das Haus«,
flüsterte sie aufgeregt. »Während Sie da unten waren, kam ein Wagen an. Jemand
ist hineingegangen. Sehen Sie? Es brennt Licht .«
    » Um so besser«, erklärte ich. »Dann brauchen wir wenigstens nicht einzubrechen,
sondern können einfach klingeln .«
    Ich geleitete die Prozession
zur Eingangstür und ließ Lechner läuten. Zehn Sekunden später öffnete sich die
Tür, und Jane Randolph musterte uns mit vor Erstaunen geweiteten Augen. Sie
trug ein enganliegendes, schwarzes Kleid. Äußerst elegant.
    »Wir kommen gleich alle rein,
Jane .« Ich lächelte ihr fröhlich zu. »Würden Sie einen
Schritt beiseite treten ?«
    Sie folgte mir mit den
langsamen Bewegungen einer Schlafwandlerin und schien nicht einmal die Klumpen
nassen Sandes zu bemerken, die Lechner und Martin mit jedem Schritt auf dem
Teppich hinterließen. Ich änderte die
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