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Immer eine Frau auf Eis

Immer eine Frau auf Eis

Titel: Immer eine Frau auf Eis
Autoren: Carter Brown
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rollten wir gegen neun Uhr über die Triborough Bridge. Der Regen hatte zwar nachgelassen,
rauschte aber noch immer mit sanfter Beständigkeit nieder.
    »Jetzt frage ich zum zehntenmal : Wo fahren wir eigentlich hin ?« sagte Karen müde.
    »Nach Northport «,
erwiderte ich und fühlte, daß sie neben mir erstarrte.
    »In das Wochenendhaus?« Ihre
Stimme war heiser. »Da mache ich nicht mit, Boyd .«
    »Wenn Sie sich weigern, müssen
Sie sich auf eine Mordanklage gefaßt machen .«
    »Warum soll ich denn mitkommen ?«
    »Weil der Mord dort verübt
wurde«, erwiderte ich.
    »Wie soll ich das verstehen ?« fuhr sie auf.
    »Das weiß ich selbst noch nicht
recht«, gestand ich. »Um weiterzukommen, müssen wir eben zum Tatort zurück .«
    Der Rest der Fahrt verlief
unter Schweigen. Als wir endlich die Straße zum Haus erreichten, verlangsamte
ich das Tempo. Die Eingangstore waren weit geöffnet, das Haus jedoch lag in
völliger Dunkelheit.
    »Ha !« sagte Karen triumphierend. »Keiner zu Hause! Sie scheinen sich geirrt zu haben,
Boyd .«
    »Vielleicht«, knurrte ich.
    In etwa hundert Meter
Entfernung parkte auf einem Grasstreifen ein schwarzer, unbeleuchteter Sedan . Ich fuhr an ihm vorbei, wendete nach fünfzig Metern,
fuhr wieder zurück und hielt dann am Straßenrand.
    »Boyd?« Karen wurde ungeduldig.
»Sie kommen doch nicht etwa auf dumme Gedanken? Ausgerechnet jetzt?«
    »Im Augenblick«, versicherte
ich, während ich den Motor abstellte und die Scheinwerfer ausschaltete, »denke
ich nur an die Arbeit. Warten Sie hier auf mich .«
    »Allein ?« fragte sie entsetzt. »Im Dunkeln? Sind Sie verrückt, Boyd? Ich komme mit .«
    »Na schön.« Ich zuckte die
Schultern. »Aber leise, ja? Auf Zehenspitzen und ohne schrille Schreie.«
    »Ich bin ganz still«, versprach
sie. »Aber nur, wenn Sie bei mir bleiben.«
    Ich stieg aus, ging um den
Wagen und öffnete ihr die Tür. Als sie ihren Fuß zu Boden setzte, gab sie einen
erstickten Laut von sich.
    »Ruhig !« fuhr ich sie an.
    »Aber es regnet doch .«
    »Merken Sie das erst jetzt ?«
    »Meine Frisur wird völlig
aufweichen .«
    »Dann warten Sie eben im Wagen«,
knurrte ich.
    »Ich verliere lieber eine teure
Frisur als den Verstand«, fauchte sie. »Wollen wir die ganze Nacht hier im
Regen stehenbleiben ?«
    Wir gingen die Auffahrt entlang
bis zur Eingangstür. Im Haus war anscheinend kein Mensch; nichts regte sich.
Nur das Rauschen des Regens war zu hören. Aber wenigstens standen wir hier im
Trockenen.
    »Und was passiert jetzt ?« flüsterte Karen gereizt.
    »Ich will mich mal hinten ein
bißchen umsehen«, sagte ich. »Es dauert nur ein paar Minuten...«
    »Nicht ohne mich«, erwiderte
sie fest.
    »Okay«, sagte ich zögernd.
»Aber bleiben Sie hinter mir .«
    Sie trottete gehorsam hinter
mir her. Auf der Rückseite des Hauses war es ebenso dunkel und still wie vorn.
Schließlich ging ich über den durchweichten Rasen und hörte sie nach etwa
fünfzig Metern unterdrückt fluchen.
    »Was ist denn los ?« zischte ich.
    »Diese verdammten Absätze«,
flüsterte sie. »Sie sinken bei jedem Schritt ein. Wohin gehen wir überhaupt?
Baden?«
    »Ich will mir nur kurz den
Strand ansehen«, erklärte ich. »Wenn Sie lieber...«
    »Nein.« Sie bückte sich
plötzlich. »So, jetzt gehe ich barfuß. Wenn ich eine Lungenentzündung bekomme,
dann sind Sie schuld !«
    Wir gingen weiter bis zum
Klippenrand. Ich warf einen schnellen Blick hinab und riß sie zurück.
    »Falls Sie eine Vergewaltigung
planen«, sagte sie kühl, »lassen Sie uns lieber wieder zum Haus zurückgehen.
Der Gedanke an das nasse Gras...«
    »Unten am Strand ist Licht«,
keuchte ich. »Wenn wir da am Rand stehengeblieben wären, hätte man uns gegen
den Himmel sehen können .«
    »Oh.« Sie schluckte hörbar.
»Und was machen wir jetzt ?«
    »Ich gehe runter«, erwiderte
ich. »Diesmal müssen Sie aber auf mich warten .«
    »Und was geschieht, wenn Sie
nicht zurückkommen ?« jammerte sie.
    »Woher soll ich das wissen ?«
    Damit ließ ich sie stehen, um
ihr keine Gelegenheit zu weiteren Diskussionen zu geben. Die ersten sechs oder
sieben Stufen der Felsentreppe nahm ich so schnell ich konnte, dann beeilte ich
mich nicht mehr. Hohe Wellen mit weißen Schaumkronen schlugen an den Strand und
übertönten jedes Geräusch, das ich beim Abstieg machte. Unten angelangt,
arbeitete ich mich im Schatten der Felsen weiter. Nach etwa zwei Minuten war
ich nahe genug, um zu erkennen, daß das Licht von einer alten
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