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Imagica

Imagica

Titel: Imagica
Autoren: Clive Barker
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Und ich male, was Sie wollen.«
    25

    »Da spricht Bastard Boy.«
    »Der Spitzname gefällt mir nicht.«
    »Aber Sie verdienen ihn. In den vergangenen acht Jahren haben Sie sich nicht verändert. Die Welt wird alt, aber Bastard Boy bleibt jung. Was mich an etwas erinnert...«
    »Geben Sie mir Arbeit.«
    »Unterbrechen Sie mich nicht, wenn ich in Plauderstimmung bin. Vorletzten Sonntag habe ich Clem gesehen. Fragte nach Ihnen. Ist dick geworden. Und sein Liebesleben scheint fast so katastrophal zu sein wie Ihres. Übrigens: Taylor hat sich angesteckt - Sie wissen schon mit was. Tja, heutzutage sollte man im Zölibat leben.«
    »Geben Sie mir Arbeit.«
    »So einfach ist das nicht. Im Augenblick ruht der Markt.
    Und... Nun, um es ganz offen und brutal zu sagen: Ich habe ein neues Wunderkind.« Klein stand auf. »Kommen Sie, ich zeige Ihnen etwas.« Er führte Gentle durchs Haus und ins Atelier.
    »Der Bursche ist zweiundzwanzig, und glauben Sie mir: Wenn er irgendwelche Ideen hätte, könnte er es weit bringen. Aber er ist wie Sie: viel Talent und nichts dahinter.«
    »Danke«, erwiderte Gentle verdrießlich.
    »Es stimmt.« Chester schaltete das Licht ein. Das Zimmer enthielt drei Gemälde, noch ohne Rahmen. Nummer eins: eine nackte Frau im Stil von Modigliani. Nummer zwei: eine Landschaft, Corot nachempfunden. Nummer drei, das größte Bild, erwies sich als echter Knüller: eine ländliche Szene, die klassisch gekleidete Schäfer zeigte; voller Ehrfurcht standen sie vor einem Baum, in dessen Stamm ein menschliches Gesicht erschien.
    »Könnten Sie es von einem echten Poussin unterscheiden?«
    »Ich nehme an, die Farbe ist noch feucht, wie?« fragte Gentle.
    »Witzbold.«
    Zacharias trat näher an das Bild heran und betrachtete es auf-26

    merksam. Mit dieser speziellen Periode kannte er sich nicht sehr gut aus, aber er wußte genug, um von der ausgezeichneten Arbeit beeindruckt zu sein. Die Leinwand bestand aus einem dichten Gewebe, und die Farbe war mit regelmäßigen Strichen in einzelnen Lasuren aufgetragen.
    »Hier ist jemand sehr sorgfältig gewesen, nicht wahr?«
    meinte Klein.
    »Es wirkt fast zu perfekt.«
    »Höre ich da Neid?«
    »Im Ernst. Dieses Bild ist einfach zu makellos. Wenn Sie es auf den Markt bringen, riskieren Sie den Ruin. Nun, bei dem Modigliani sieht die Sache anders aus...«
    »Er stellt nur das Ergebnis einer Übung dar«, sagte Klein.
    »Ich kann ihn nicht verkaufen. Der junge Mann hat erst ein Dutzend Bilder gemalt. Ich setze auf den Poussin.«
    »Davon rate ich Ihnen ab. Sie würden es bitter bereuen. Was dagegen, wenn ich mir Nachschub hole?« Gentle hob sein leeres Glas.
    Er kehrte zum Wohnzimmer zurück, und Chester folgte ihm, dabei brummte er leise vor sich hin.
    »Sie haben ein gutes Auge, Gentle. Aber Sie sind unzuverlässig. Früher oder später finden Sie eine andere Frau und denken nicht mehr ans Malen.«
    »Diesmal behalte ich den Pinsel in der Hand.«
    »Und ich habe nicht übertrieben, was den Markt betrifft. Es gibt keinen Platz für Zweitklassiges.«
    »Hatten Sie jemals Probleme mit meinen Werken?«
    Klein überlegte. »Nein«, sagte er.
    »Ein Gaugin von mir hängt irgendwo in New York. Und meine Fuseli-Skizzen...«
    »Berlin. O ja, Sie haben wirklich etwas geleistet.«
    »Aber ich bleibe für immer unbekannt.«
    »Da irren Sie sich. In hundert Jahren sehen Ihre Fuselis so alt aus wie sie sind - nicht so alt, wie sie sein sollten. Dann stellt 27

    man Nachforschungen an und entdeckt Sie, Bastard Boy.
    Ebenso wie Kenny Soames und Gideon. Alle meine kleinen Schwindler...«
    »Und man wird Ihnen vorwerfen, uns korrumpiert und das zwanzigste Jahrhundert um Originalität betrogen zu haben.«
    »Originalität«, wiederholte Klein abfällig. »Ihre Bedeutung wird weit überschätzt. Sie könnten ein Visionär sein, indem Sie Marienbilder malen.«
    »Na schön. Also male ich von jetzt an heilige Jungfrauen, in allen Variationen. Ich lebe im Zölibat und bringe immerzu Madonnen auf die Leinwand. Mit Kind. Ohne Kind.
    Tränenüberströmt. Selig. Ich arbeite, bis mir der Sack abfällt, Kleiny, und daran gibt's nichts auszusetzen, weil ich ihn ohnehin nicht mehr brauche.«
    »Vergessen Sie die Marienbilder. Sind längst außer Mode.«
    »Habe sie schon aus meinem Gedächtnis gestrichen.«
    »Dekadenz ist Ihre Stärke.«
    »Sagen Sie mir einfach, was Sie wollen.«
    »Lassen Sie mich bloß nicht hängen. Wenn ich einen Kunden finde und ihm etwas verspreche, müssen Sie's
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