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Imagica

Imagica

Titel: Imagica
Autoren: Clive Barker
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Zacharias' Nachfolge anzutreten.
    Das Resultat: Einer der drei Protagonisten geriet ins Abseits, und herrliche Zweisamkeit folgte. Charlie und Judith heirateten und verbrachten fünf wundervolle Jahre miteinander - bis sie das Glück aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen verloren.
    Damit reduzierte sich die Anzahl der Hauptfiguren auf eine.
    Estabrook war entschlossen, auch weiterhin eine wichtige Rolle zu spielen. An diesem Abend saß er in einem Wagen, der durch die kalten Straßen von London rollte. Er suchte nach jemandem, der ihm dabei half, die Geschichte zu beenden, wenn auch nicht auf eine Weise, die Quexos zu schätzen gewußt hätte - es sollte keine leere Bühne zurückbleiben.
    Charlie ging es in erster Linie um Balsam für seine verletzten Gefühle.
    Er suchte nicht allein. Eine treue Seele begleitete ihn: der zwielichtige Mr. Chant, Chauffeur, Helfer und Mädchen für alles. Zwar zeigte Chant Mitgefühl, aber er war doch nur ein weiterer Diener, der den Wünschen seines Herrn gerecht wurde, solange er genug Geld dafür bekam. Er verharrte in kühler Unnahbarkeit und verstand nicht, wie sehr Estabrook litt. Charlies Familie hatte eine lange Vergangenheit, aber von dort her durfte er sich keinen Trost erhoffen. Er konnte die 6

    eigene Herkunft bis zu Jakob I. zurückverfolgen, doch nicht einmal an den blutigsten Wurzeln des weitverzweigten Stammbaums gab es jemanden, der soviel Schuld auf sich geladen hatte, wie es Estabrooks Plan vorsah: Er wollte jemanden finden, der seine Frau umbrachte.
    Wenn er an sie dachte - wann dachte er nicht an sie? -, bekam er feuchte Hände, und sein Gaumen wurde trocken.
    Dann seufzte er und zitterte. Er sah sie nun vor dem inneren Auge wie jemanden, der vor der Vollkommenheit geflüchtet war: makellose Haut, immer kühl, immer blaß; der Körper lang, wie das Haar, wie die Finger und ihr Lachen. Die Augen... Oh, in ihren Augen schimmerten alle Jahreszeiten: das Grün von Frühling und Sommer, die goldenen Töne des Herbstes - und dunkle Winterfäule, wenn Zorn in ihr brodelte.
    Estabrooks Schlichtheit bildete einen auffallenden Kontrast dazu. Er mochte gut gepflegt sein, aber er wirkte schlicht. Sein Vermögen verdankte er dem Verkauf von Badewannen, Bidets und Toiletten, was ihm kaum eine geheimnisvolle Aura verlieh.
    Als er Judith zum erstenmal sah - sie saß an einem Schreibtisch in der Buchhaltung, und die farblose Umgebung unterstrich ihre Schönheit -, dachte er sofort: Diese Frau will ich haben.
    Sein zweiter Gedanke lautete: Bestimmt weist sie mich zurück.
    Im Hinblick auf Judith regte sich ein Instinkt in ihm, den er noch nie zuvor gespürt hatte. Er glaubte, daß sie ihm gehörte, daß er sie bekommen konnte, wenn er sich genug Mühe gab.
    Estabrook begann sofort damit, sie zu umwerben, zuerst mit kleinen Geschenken, die er auf ihren Schreibtisch legte. Schon nach kurzer Zeit fand er heraus, daß solche Schmeicheleien und Bestechungsversuche bei ihr nicht den gewünschten Erfolg erzielten. Judith bedankte sich höflich, gab ihm aber zu verstehen, daß sie diese Art von Aufmerksamkeit ablehnte.
    Also verzichtete er darauf, ihr weitere Präsente anzubieten, und leitete statt dessen systematische Ermittlungen ein. Es gab nicht viel herauszufinden.

    7

    Judith lebte in recht bescheidenen Verhältnissen; zu ihrem Bekanntenkreis gehörten einige Künstler. Einer von ihnen stand ihr sehr nahe, und offenbar fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Dieser Mann hieß John Furie Zacharias, Gentle genannt, und seine Reputation als Liebhaber hätte Estabrook unter anderen Umständen veranlaßt, alle Hoffnungen aufzugeben. Aber er vertraute der seltsamen Gewißheit, die er in sich spürte, und entschied, geduldig zu sein und zu warten. Früher oder später erhielt er bestimmt eine Chance.
    Er beobachtete die Geliebte aus der Ferne, arrangierte gelegentliche ›zufällige‹ Begegnungen und stellte unterdessen Nachforschungen in bezug auf den Rivalen an. Auch Gentles persönlicher Hintergrund bot keine Überraschungen. Er verdiente seinen Lebensunterhalt als Maler, wenn er sich nicht von reicheren Freundinnen aushalten ließ. Außerdem stand er in dem Ruf, zügellos zu sein. Charlie gewann einen unmittelbaren Eindruck davon, als er den Mann traf. Gentle war tatsächlich sehr attraktiv, aber er wirkte, als ob er gerade eine lange Fieberkrankheit hinter sich gebracht habe. Estabrook beobachtete etwas Grobes und Rauhes an ihm: Zacharias' Körper schien bis auf die letzte Substanz
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