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Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)

Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)

Titel: Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
Autoren: Jack McDevitt
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    Vermutlich war es ein Zeichen der Zeit, was auch sonst? Denn die größte wissenschaftliche Erkenntnis des einundzwanzigsten Jahrhunderts, ja, möglicherweise aller Zeiten wurde ausgerechnet durch The National Bedrock, das Paradebeispiel einer Boulevardzeitung, bekannt. Nicht unbeteiligt an der Entdeckung war außerdem ein risikofreudiger Reporter, der sie mitten in einer Pressekonferenz zur Sprache brachte. Eigentlich hatte man die Medien zu einer stillen nostalgischen Feier geladen. Der Leistungen der NASA über einen Zeitraum von sechzig Jahren sollte gedacht werden. Das Ganze war darauf zugeschnitten, als Ablenkung dafür zu dienen, dass die Einrichtung nun tatsächlich vor dem Aus stand. Wie auch immer, zunächst hatte niemand begriffen, was da ans Licht der Öffentlichkeit kam.
    Lange Zeit – solange, bis die Bombe platzte, die erst ein Rohrkrepierer schien – war Jerry Culpepper, Pressesprecher der NASA, absolut Herr der Lage gewesen. Er griff die ihm gestellten Fragen auf, antwortete leidenschaftlich, gestand auch so einiges Offensichtliche ein. Beispielsweise, dass man wisse, dass die Behörde mit dem Rest des Landes wirtschaftlich schwere Zeiten durchgemacht habe und noch durchmache. Dennoch strich er heraus, es gäbe viel zu feiern, viele Gründe zur Freude. Man solle sich an einem historischen Tag wie diesem auf die guten Dinge konzentrieren.
    Vor allem aus diesem Grund stand Jerry am 20. Juli 2019, exakt fünfzig Jahre, nachdem Apollo 11 auf dem Mond gelandet war, auch vor einer riesigen Leinwand mit einem Bild von Neil Armstrong, Michael Collins und Buzz Aldrin. Die drei drängten sich um eine Steuerkonsole und blickten auf die Mondlandschaft hinab. Jerry, von den eigenen Emotionen mitgerissen, flog sozusagen mit ihnen zusammen zum Mond.
    Die Pressekonferenz fand in einem Raum statt, der direkt von der Lobby abzweigte und die Ausstellungsstücke der ersten Landung beherbergte. Raumhelme, Mondgestein, Astronautenuniformen und das Logbuch (signiert von jedem der Astronauten) waren dort zu sehen. Die Wände schmückten großformatige Fotos von einer Saturn V, einer Mondlandefähre, dem Kennedy Space Center und dem Mare Tranquillitatis. Als Jerry über die fünfzehn Astronauten sprach, die die fünf Mondflüge durchgeführt hatten, verstieg er sich zu der Behauptung: »Sie haben die Messlatte für uns hoch gelegt.« Die Bemerkung bedauerte er sofort wieder. Denn damit überging er die Legionen von Männern und Frauen, die vorher und nachher in den Kapseln und Raumfähren geflogen waren, die ihr Leben riskiert und in einigen Fällen dieses größte aller Opfer sogar gebracht hatten. Jerry überlegte, ob er sich korrigieren sollte. Aber ihm fiel keine elegante Möglichkeit dazu ein. Also fuhr er fort, sprach weiter frei und endete mit einem Satz, den er schon häufig bei Gastauftritten verwendet hatte: »Solange wir Menschen wissen, wer wir sind, solange werden auch sie unvergessen bleiben.«
    Er ließ seinen Blick über sein Publikum schweifen und breitete die Hände aus. »Fragen?«
    Überall im Raum schössen Hände empor. »Diane.« Jerry meinte Diane Brookover von der New York Times.
    Er hatte nicht viel für Diane übrig. Im normalen gesellschaftlichen Miteinander war sie zu ertragen. Aber bei Pressekonferenzen gefiel sie sich darin, ihn lächerlich zu machen. An sich war das bei Reportern gang und gäbe, eigentlich also nicht erwähnenswert – hätte Diane es in dieser Kunst nicht besonders weit gebracht. Am gefährlichsten war es immer, wenn sie lächelte. Und momentan lächelte sie. Egal. Besser, er ginge es gleich an und hätte diesen Stolperstein dann aus dem Weg. »Jerry«, begann sie ihre Frage, »wozu braucht die Regierung eine Ruhmeshalle für die NASA, obwohl es bereits eine für die Astronauten gibt? Ich meine, steckt hinter dem ganzen Trara nicht vielmehr der Versuch, von der Tatsache abzulenken, dass die NASA abgeschafft wird?«
    »Wir schaffen gar nichts ab, Diane«, entgegnete Jerry. »Sicher, derzeit sind die Mittel knapp. Das bestreitet niemand. Aber die NASA wird es noch geben, wenn eines Tages Ihre Enkel an einer unserer Touren teilnehmen wollen. Nun, es gibt gute und schlechte Zeiten. Das ist unabwendbar. Wir werden diese Dürre durchstehen, wie wir es immer getan haben. Was die Ruhmeshalle betrifft, die Astronauten waren von Anfang an unsere Helden, die Leute an der Front. Das Problem ist, sie sind so bedeutend und so dominant, dass wir dazu neigen, die anderen zu übersehen,
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