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Der Mann, der niemals lebte

Titel: Der Mann, der niemals lebte
Autoren: Ignatius David
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    Es dauerte fast einen Monat, bis sie den richtigen Leichnam fanden. Roger Ferris hatte ziemlich genaue Vorstellungen: Er wollte einen Mann Mitte dreißig, der körperlich fit und nach Möglichkeit blond, auf jeden Fall aber ein Weißer war. Er durfte keine erkennbaren Anzeichen von Krankheiten oder Verletzungen haben. Und natürlich keine Schusswunden – die hätten die Sache viel zu kompliziert gemacht.
    Weil Ferris auf Einsatz im Nahen Osten war, musste sein Chef Ed Hoffman die Leiche organisieren. Seinen Mitarbeitern traute Hoffman nicht zu, eine derartige Aufgabe so zu erledigen, dass nicht irgendein Kongresskomitee davon Wind bekam, aber er wusste genau, wo es Leute gab, die jederzeit zu praktisch allem bereit waren: bei der Armee. Und so setzte er sich mit einem ehrgeizigen Colonel beim Kommando für Spezialaufgaben auf dem Luftwaffenstützpunkt MacDill in Verbindung, der ihm schon früher bei ähnlichen Problemen behilflich gewesen war, und fragte ihn, ob er ihm einen etwas ungewöhnlichen Gefallen tun könne. Er brauche einen Weißen, der etwa eins achtzig groß und Anfang bis Mitte dreißig war. Außerdem sollte er durchtrainiert genug sein, um ab CIA-Agent durchzugehen, aber nicht so muskelbepackt wie ein Elitesoldat. Der ideale Kandidat wäre außerdem nicht beschnitten. Und er müsste natürlich tot sein.
    Drei Wochen später hatte der Colonel einen passenden Kandidaten in einem Leichenhaus in Florida ausfindig gemacht. Dazu hatte er ein Netzwerk von ehemaligen Offizieren angezapft, die inzwischen alle in privaten Sicherheitsfirmen untergekommen waren und von sich behaupteten, sie könnten einem so ziemlich alles besorgen. Der Tote war ein Urlauber namens James Borden, der tags zuvor beim Windsurfen vor der Küste bei Naples ertrunken war; ein Rechtsanwalt aus Chicago, aber körperlich gut in Form und im vollen Besitz seiner Vorhaut. Außerdem war er gesund, hatte braunes Haar und war sechsunddreißig Jahre alt. Damit erfüllte er alle Anforderungen, aber die Sache hatte trotzdem einen kleinen Haken: Der Leichnam sollte in zwei Tagen in Highland Park, Illinois, eingeäschert werden. Hoffman fragte den Colonel, ob er schon mal ein krummes Ding gedreht habe, und der Colonel antwortete: Nein – aber er sei für alles zu haben. So eine Gesinnung traf Hoffman bei der CIA nur selten an.
    Gemeinsam erarbeiteten sie sich die Leichenfledderer-Version des altbekannten Hütchenspiels, bei der eine Leiche in Fort Myers in den Frachtraum eines Flugzeugs kam und eine andere auf dem O’Hare-Flughafen in Chicago ausgeladen wurde. Der Sarg war derselbe, nur lag bei seiner Ankunft in Illinois nicht mehr James Borden darin, sondern ein achtundsiebzigjähriger, an einem Herzinfarkt verstorbener Versicherungsvertreter. Der Colonel schickte sogar einen Unteroffizier zu dem Bestattungsunternehmen in Highland Park, der verhindern sollte, dass der Sarg in letzter Minute doch noch geöffnet wurde. Für den Fall, dass trotz allem etwas schiefging, hatte sich Hoffman eine Geschichte zurechtgelegt: Die Fluggesellschaft habe leider beim Ausladen die beiden Särge vertauscht, ein bedauerlicher Fehler, der nun aber nicht mehr rückgängig zu machen sei, da man den anderen Toten vor wenigen Stunden in Milwaukee eingeäschert habe. Zum Glück kam sie nie zum Einsatz.
    James Borden war zwar nicht ideal, aber er erfüllte seinen Zweck. Er war muskulös, hatte aber auch einen leichten Bauchansatz, und am Hinterkopf gingen ihm schon ein wenig die Haare aus. Außerdem stellte sich heraus, dass er einen Hodenhochstand hatte. Je mehr Hoffman allerdings über diese Mängel nachdachte, desto besser gefielen sie ihm – handelte es sich doch um echte, menschliche Details, was die Täuschung nur glaubwürdiger machen würde. Um perfekt zu sein, musste ein Trick auch gewisse Fehler beinhalten.
    Hoffman ging nun daran, den Toten mit einer Lebensgeschichte auszustatten. Er hieß nicht mehr James Borden, sondern Harry Meeker und bekam eine Wohnung in Alexandria sowie eine Festnetz- und eine Handynummer. Mit dem Bild aus Bordens in Illinois ausgestelltem Führerschein fertigten die Spezialisten bei der CIA einen aus Virginia an, während sie für den Reisepass, den sie auch gleich mit den richtigen Stempeln und Visa versahen, ein Portraitfoto von Bordens Kanzleiwebsite verwendeten, das sich Hoffmans Mitarbeiter Sami Azhar heruntergeladen hatte.
    Weil es zu Harry Meekers Tarnung gehörte, dass er bei der US- Agentur für Internationale Entwicklung
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