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Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)

Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)

Titel: Im Zeichen des weißen Delfins (German Edition)
Autoren: Gill Lewis
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die Jolle hinter einer riesigen Woge. Sie gleitet den Wellenrücken hoch, aber die Welle verändert sich und beginnt sich einzurollen. Ich will, dass sie in sich zusammenbricht, ohne das Boot mitzureißen. Aber die Jolle hat bereits den Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt. Sie gleiten auf der in sich zusammenbrechenden Welle in die Tiefe, schneller und immer schneller, sie reiten auf ihr wie auf einem Wasserstrudel, der das Boot in sich hineinzieht. Das geht alles zu schnell, denke ich, sie können die schmale Einfahrt nicht erreichen. Der Strudel zieht sie zur Seite, auf den Kamm der zusammenbrechenden Welle. Felix verlagert sein ganzes Gewicht zur Bootswand hin. Als die Welle über ihnen zusammenstürzt, gerät der Bootskörper vollends ins Schwanken. Der Mast legt sich zur Seite und alles verschwindet in der weißen Gischt der aufgewühlten See.
    Die Welle kracht gegen die Hafenmauer. Ich wende mich ab. Ich will nicht sehen, wie sie gegen die Granitblöcke geschleudert werden. Durch die Lücke zwischen den Mauern ergießt sich eine Brandungswoge ins Hafenbecken. Sie flutet hinein in eine eigenartige und dumpfe Stille. Es scheint, alswürden alle Leute im Hafen den Atem anhalten. Ich klammere mich an Dad und presse den Kopf an seine Brust. Aber Dad zieht mich weg.
    »Kara, sieh nur!«
    Die Jolle schießt durch den Brandungswall. Die Segel sind zerfetzt und der Mast besteht nur noch aus verbogenen Metallteilen. In einem Bogen schwenkt das Boot auf uns zu, kommt zum Stillstand und schaukelt sanft auf dem ruhigen Wasser. Drinnen sitzen zwei zusammengesunkene Gestalten, bewegungslos.
    »FELIX!«, brülle ich.
    Er lehnt sich in seinen Sitz zurück, schaut zu mir hoch, hält den Daumen in die Höhe und lächelt. Und dieses Mal entlädt sich entlang der Kaimauern eine Woge aus Jubel und Hochrufen.

Kapitel 38
    Ich öffne die Augen. Durchs Fenster sehe ich den strahlend blauen Himmel. Eine leichte Brise weht herein und trägt den Salzduft des Meeres mit sich.
    »Du hast ja ’ne Ewigkeit geschlafen, Kara.«
    Ich drehe den Kopf zur Seite. Daisy sitzt im Schneidersitz auf ihrem Bett und beobachtet mich. Mein Nacken ist steif und meine Glieder sind schwer wie Blei. Die Erinnerungen an gestern überschwemmen mich.
    »Wie spät ist es?«, frage ich.
    »Vier Uhr«, sagt sie. »Du hast das Frühstück verpasst und das Mittagessen und beinahe schon den Tee.«
    Ich stütze mich auf die Ellenbogen. »So spät ist es schon?«
    Daisy nickt. Ihre Augen glänzen und sie grinst wie ein Honigkuchenpferd. Sie klettert aus dem Bett und nimmt meinen Arm. »Du musst mitkommen, Kara«, sagt sie, »du musst! Das musst du sehen!«
    Ich schwinge die Beine aus dem Campingbett. Mir tut alles weh und mein Mund ist ganz trocken. Ich ziehe mir Jeans und T-Shirt an.
    »Na los! Da ist jemand, der dich sehen will«, sagt Daisy. »Sie ist gestern am späten Abend angekommen.«
    »Wer?«, frage ich.
    »Überraschung«, sagt Daisy und steht ungeduldig in der Tür. »Sie wartet schon den ganzen Tag auf dich.«
    »Ich komme ja«, sage ich und stehe auf. Das Zimmer dreht sich um mich. Mein Schädel brummt so stark, dass ich kaum denken kann.
    Daisy nimmt mich wieder beim Arm und führt mich ins Schlafzimmer ihrer Eltern. Onkel Tom sitzt auf der Bettkante und Tante Bev liegt auf Kissen hochgelagert.
    Daisy drückt fest meine Hand und lächelt. »Ich hab ’ne Schwester!«
    Und dann sehe ich das Baby, das eingewickelt in Tante Bevs Armen liegt. Es ist so winzig! Das Baby hat die Augen geschlossen und macht einen Schmollmund. Auf Tante Bevs Gesicht liegt ein sanfter und verträumter Blick und das Haar fällt ihr lose über die Schultern. Sie hat die Hand um das Köpfchen des kleinen Mädchens gelegt.
    So muss mich Mum auch einmal gehalten haben.
    »Sie ist wunderschön!«, sage ich.
    Tante Bev schaut hoch. »Kara«, sagt sie und klopft neben sich auf die Bettdecke.
    Ich setze mich neben sie und schaue einfach nur auf das in rosa Tücher eingewickelte kleine Wesen.
    »Daisy hat uns erzählt, was du gestern getan hast«, sagt Tante Bev.
    Ich warte auf die Standpauke. Ich weiß, dass ich Daisy nicht hätte alleine nach Dad suchen lassen dürfen.
    »Du warst sehr tapfer«, sagt Tante Bev mit Tränen in den Augen, »aber du hättest sterben können, Kara!«
    Ich berühre die winzige Hand des Babys, die sich an den Saum der Decke klammert.
    »Du bist das Kind deiner Mutter«, sagt Onkel Tom. »Sie hätte dasselbe getan.«
    In ihren Augen spiegelt sich so
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