Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zeichen des großen Bären

Im Zeichen des großen Bären

Titel: Im Zeichen des großen Bären
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Himmel und Erde, als wir uns träumen lassen.«
    Und Rockwell japste: »Ein Waschbär ist er jedenfalls bestimmt nicht! Eher ein Dreckspatz.«
    Der Kleine war keineswegs eingeschüchtert. Er verhielt sich vielmehr abwartend. Menschen waren ihm nicht unvertraut, nein, eigentlich hatte er ihre Gesellschaft sehr entbehrt, seit diesem Etwas, das dumpf in seinen Erfahrungsschatz eingegangen war. Feuer, Dröhnen, seine Mutter, die sich nicht mehr bewegte. Das andere Bärenkind, das plötzlich beinahe wie Futter ausgesehen hatte.
    Nichts war mehr da gewesen, nicht der Mann, der ihnen das Fressen gebracht hatte, noch die Leute, die sie anglotzten wie diese hier, noch die Gitter. Gar nichts. Da war er eben losgetrottet. Hatte gewinselt und gebrummt, und später, als der Hunger zu groß wurde, waren halbverschüttete Instinkte wieder in ihm erwacht. Nahrung suchen! Fressen, was wuchs und was sich bewegte. Naschen, was so gut schmeckte wie diese Dinger, wenn man hineinleckte.
    Rockwell streckte die Hand aus und kraulte ihn da, wo der Kopf plusterig in die runden Schultern überging. Der Bär tat ein bißchen unbehaglich, ließ es sich aber gefallen. Zärtlichkeiten hatten ihm sehr gefehlt. Eigentlich gehörte er noch unter Mutters Fittiche. In der freien Wildbahn hätte eine andere Bärin das hilflose Bärenkind adoptiert. Zwei Jahre lang wäre er dort der Erfahrenen gefolgt, bis er sich endgültig auf die eigenen Sohlen gestellt hätte. Er war ja kaum abgestillt gewesen, als das Unglück passierte.
    »Na, Kleiner«, sagte William mit einer weichen Stimme, die seine Kameraden noch nie bei ihm gehört hatten, »wir müssen dich wohl gefangennehmen, wie? Was würdest du zu einer vollen Büchse Marillenkompott sagen, hm?«
    Der Bär sah ihn abwartend an.
    »Sie wollen ihn mitnehmen?« fragte Powell.
    »Jawohl. Herr Leutnant, Gefreiter Rockwell meldet gehorsamst, einen jungen Braunbären gefangengenommen zu haben. Erwarte weitere Befehle!«
    Sie lachten nun nicht mehr. Erstens mußte ein Entschluß gefaßt werden, das Tier betreffend. Zweitens mußten sie wieder zurück. Und jetzt, da Spannung und Neugier fehlten, erschien die Strecke plötzlich weitaus länger und gefährlicher als vorhin.
    Powell wandte sich an die beiden anderen Männer. »Ihre Meinung, Micklewhite, Smith?«
    Die beiden sahen sich an und nickten.
    »Wir können ihn hier nicht mit ein paar ollen Blechbüchsen zurücklassen, Sir«, sagte Micklewhite.
    Smith ergänzte: »Eine lausige Gegend, selbst für kleine Bären, Herr Leutnant.«
    Powell reckte sich im Hocken um mindestens zwei Zentimeter. »Okay. Rockwell, Sie haben diese fahrbare Mine entdeckt. Bringen Sie also auch gefälligst Ihre Beute ins Trockene. Gott befohlen. Auf geht's, Männer!«
    Rockwell packte das Bärchen am zotteligen Pelz. Es stellte sich zuerst zickig an, bockte, wollte im Trichter bleiben. Aber dann, den angeborenen Gehorsam Stärkeren gegenüber noch in den Knochen, gab es nach. Und nun geschah das allererste Bärenwunder bei St. Jules. Die Deutschen schossen nicht, während der sonderbare Stoßtrupp zurückrobbte und Rockwell seine Beute hinter sich herzog, wobei er nicht einmal einen Strick hatte.
    Ob es nun am Landregen lag oder an dem Gelächter vorhin, das etwas in ihnen zum Klingen gebracht haben mochte, ob sie das Tier mit ihren Ferngläsern ausmachen konnten und gerührt waren wie diese vier hart gewordenen Männer hier – sie schossen nicht. Vier Männer und ein Bär enterten wohlbehalten den eigenen Graben, den eigenen Unterstand.
    Das Hallo war beispiellos. Noch nie hatte irgendein hoher Offizier auch nur annähernd so einen Empfang erhalten. In einer sofort eingeleiteten Spendenaktion kamen so viele Büchsen mit Obst zusammen, daß Rockwell darauf bestand, sie dem Bären nur nach und nach zuzuteilen, damit er sich nicht den Magen verdarb.
    »Wie soll er heißen?« fragten die Männer, die ganz aus dem Häuschen waren und das Erscheinen des Bären, das ja immerhin ungewöhnlich genug war, glatt für ein gutes Omen hielten.
    Der Kleine schien die ganze Prozedur des Begucktwerdens gar nicht so übel zu finden. Er hockte da und machte ein fotogenes Gesicht, so richtig niedlich und babyhaft, genau die Miene, die Beschützerinstinkte auslöste.
    »Rockwell?« fragte Powell.
    »Ich schlage vor, daß wir ihn erst taufen, wenn wir ihn besser kennen«, schlug sein Entdecker vor. »Vielleicht sollten wir ihn provisorisch ›Bär von St. Jules‹ nennen.«
    Powell nickte. »Dagegen kann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher