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Im Wald der gehenkten Füchse

Im Wald der gehenkten Füchse

Titel: Im Wald der gehenkten Füchse
Autoren: Arto Paasilinna
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hatte er reichlich Erfahrung mit Gefängnishaft. Ein wenig mehr davon konnte für einen verstockten Mann nicht von Schaden sein, entschied Oiva Juntunen.
    Siira zeigte sich halsstarrig. Er forderte seinen Anteil an der Goldbeute, die, wie er wusste, mehrere Dutzend Kilo betrug. Am ersten Tag führten die Verhandlungen zu keinem Ergebnis. Major Remes verringerte die Qualität des Essens, damit Siira von seinen Positionen abrückte, aber es half nichts. Nach einer ganzen Woche Gefangenschaft in der öden Zelle erklärte Siira schließlich, er würde sich mit zwanzig Kilo Gold zufrieden geben. Oiva Juntunen fand die Forderung frech. Zwar waren noch etwa dreiunddreißig Kilo übrig, aber alles hatte seine Grenzen.
    Um die Verhandlungen zu beschleunigen, trat Siira in den Hungerstreik. Damit hatten die Häftlinge in Schweden manchmal ihre Bedingungen verbessern können. Aber am Kuopsu wirkte dieses Mittel nicht. Die Folge war lediglich, dass dem Häftling gar nicht erst Essen angeboten wurde, und man kam auch nicht mehr täglich, um zu sehen, wie es mit dem Hungerstreik stehe.
    Nach drei Tagen zornigen Fastens erhob Siira im Stall ein furchtbares Geschrei, er bat um Essen und Wasser und beschimpfte seine Wärter. Als er eine Schüssel eiskalten Haferbreis und den Katzennapf mit trübem Wasser vorgesetzt bekam, erklärte er sich wieder zu Verhandlungen bereit.
    Oiva Juntunen bot ihm zehn Kilo Gold an. Der Vertriebskaufmann dachte noch zwei Tage über den Vorschlag nach. Um diese Zeit sank passenderweise die Temperatur auf minus vierzig Grad, und da es in der Gefängniszelle keine Heizung gab, beschloss Siira, das Angebot anzunehmen.
    Wieder einmal öffneten sich die Gefängnistore für den mehrfachen Mörder. Der Häftling wurde ins Haus geführt, er bekam zu essen und zu trinken und durfte die Nacht in der warmen Stube schlafen. Major Remes saß seinerseits zwei Stunden in der Zelle, während Oiva Juntunen von einem Goldbarren ein Zehn-Kilo-Stück für Siira abtrennte. Das war immer noch reichlich Altersversorgung für einen kleinen Mann. In Finnmark gerechnet waren es mehr als 600 000 Mark.
    Siira unterschrieb eine Quittung. Der Major machte ihn darauf aufmerksam, dass es sinnlos sei, Rachepläne zu schmieden, er würde einen erneuten Zusammenstoß mit ihm, Remes, haben, wenn er sich nicht mit der vereinbarten Goldmenge zufrieden gäbe. Siira schwor, dass er keinerlei derartige Absichten mehr hege. Er erinnerte sich nur noch zu gut an den Faustschlag des Majors und die öde Haft im Stall des Holzfällerlagers. Im Vergleich dazu war das Gefängnis Långholmen in Stockholm ein Luxushotel, und die schwedischen Gefängniswärter benahmen sich wie Oberkellner im Vergleich zu Major Remes. Siira lobte Remes ausdrücklich für seinen harten Schlag. In Stockholm gebe es kaum einen Berufsgorilla, dessen Faust mit solcher Wucht ihr Ziel treffe.
    »Sie hätten in Stockholm ausgezeichnete Arbeitsmöglichkeiten. Schlagkräftige Männer sind in Profikreisen immer gefragt«, erklärte er.
    Nachdem sich Siira von seinen kargen Haftbedingungen erholt hatte, brach er auf. Major Remes packte ihm Proviant für zwei Tage und die zehn Kilo Gold in den Rucksack. Dann gab man sich die Hand. Als Siira sich zum Wald der gehenkten Füchse aufgemacht hatte, äußerte Oiva Juntunen mürrisch:
    »Er ist wirklich ein eingefleischter Verbrecher, anders kann man es nicht nennen. Raubt einem einfach zehn Kilo Gold!«
    Als die Männer gerade ins Haus gehen wollten, ertönte aus dem Wald der gehenkten Füchse ein markerschütternder Schrei. Er hörte sich an wie der Todesschrei eines Marders, der mit Strom getötet wird, war jedoch langanhaltender und weittragender.
    Erfüllt von bösen Ahnungen, stürzten sich Oiva Juntunen und Major Remes in Siiras Loipe. Sie führte geradewegs zur Fallenschneise, und bald bot sich den Männern ein erschütternder, wenn auch zugleich komischer Anblick. Der Vertriebskaufmann Siira hing in der Schlinge. Die Beine des Verbrechers zuckten in letzten Todeskrämpfen. Als die Helfer bei ihm waren, konnten sie nichts mehr zur Rettung des unglücklichen Mörders unternehmen. In Siiras Hand steckte das Schild, auf dem die Menschen vor der Falle gewarnt wurden. In seinem Mundwinkel hing ein halbabgebissenes, völlig vereistes Würstchen.
    Die Männer holten den leblosen Körper aus der Schlinge und legten ihn auf die Skier. Der Major kniete sich über ihn und versuchte eine Mund-zu-Mund-Beatmung, er blies wie ein Traktorkompressor
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