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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes
Autoren: O Krouk
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ihr Verstand weitere Details registrierte: den farbenfroh bemalten Schrank, die gusseisernen Blumenranken am Fußende des Betts, die dunkelviolette Deckenlampe mit dem Rosenmosaik. Sie war zu Hause. In ihrem Schlafzimmer. Mit einem Mann.
    »Sie lösen sich also nicht in Luft auf«, murmelte sie, während sich in ihrem Kopf die helle Weite, durch die sie kurz zuvor zu schweben glaubte, erneut ausdehnte. Der Raum schien wieder ungreifbar, fern, wie auch der Mann, der an ihrem Bett saß.
    »Sollte ich das?« Er tupfte ihr das Gesicht ab. Neben der nassen Kühle des Tuchs spürte sie die Wärme seiner Finger, die ihr Ohrläppchen streiften.
    Sie blinzelte. Kantige Gesichtszüge, kräftige Brauen, geschwungene Lippen.
    Und, Schwesterherz, wie fällt dein Urteil aus? » Musst du haben « oder » Um Gottes willen! « ?
    Eher » Oh mein Gott « .
    »Wunschvorstellungen von Männern Ihres Schlages tun das bedauerlicherweise nur zu gern. Oder sie zieren die Cover von Hochglanzmagazinen. Manchmal auch die Poster an den Wänden von Mädchenschlafzimmern, aber aus dem Alter bin ich raus.«
    Sie hielt inne. Da er definitiv keine Wunschvorstellung war, hätte sie vielleicht lieber die Schnauze halten sollen, wie Céline es immer so zärtlich ausgedrückt hatte. Irgendeinen Weg, die männliche Zunft zu vergraulen, findest du immer, große Schwester. Aber allein zu sein war einfach verlässlicher.
    Er zog eine Augenbraue hoch. »Da muss ich Sie enttäuschen, ich komme eher von der anderen Seite der … Cover-Produktion. Aber es freut mich, dass es Ihnen besser geht.«
    Sie stemmte sich mit den Ellbogen hoch, doch ein Schwindelanfall zwang sie zurück auf die Matratze. »Was ist … was ist eigentlich passiert?«
    »Sie sind vor dem Haus ohnmächtig geworden. Ich habe Sie hierher gebracht.«
    Ohnmächtig? Die Erinnerung an etwas Bedrohliches zog verschwommen dahin. Ihr Herz schlug heftig gegen die Rippen. »Céline … Was ist mit Céline?« Sie versuchte es noch einmal, die Ellbogen in die Matratze graben, sich mit den zittrigen Armen hochstemmen – und der Schwerkraft nachgeben.
    Ihre Schwester war tot, ihr Lächeln, ihre Stimme, alles tot. Zurückgeblieben war nur sie. Ganz allein. Und ihre Mutter.
    Der Mann beugte sich zu ihr, und sie nahm einen Hauch von seinem Aftershave wahr, einen frisch-herben, von der Haut warmen Duft. »Ich bringe Ihnen etwas zu trinken. Soll ich vielleicht jemanden zu Ihnen rufen?«
    Ihr Kopfschütteln fiel heftiger aus, als sie es schwindelfrei vertragen konnte.
    »Ich bin gleich wieder zurück«, versprach er. Mit einem leisen Klicken verschluckte die Tür seine Gestalt. Sie lauschte dem Stimmengewirr von unten. Als wären es Mäuse, die unter den Dielen wuselten. Eine unruhige Schar pelziger Leiber.
    Ihr rechter Schuh fehlte. Ihr Strumpf hatte eine Laufmasche. Sie fragte sich, welchen Fauxpas Céline ihr weniger verzeihen würde. Mit etwas Glück zählte die filmreife Ohnmacht mit der Punktlandung in den starken Armen eines Retters mehr als ihre Ungeschicke.
    Sie seufzte und streifte sich den verbliebenen Schuh gerade vom Fuß, als die Tür geöffnet wurde und ihr Retter zurückkam, mit einem Silbertablett in den Händen.
    Sein Blick blieb an dem Schuh hängen. »Eine interessante Farbe. Kobaltblau?«
    »Unter dem richtigen Licht ist es fast schwarz.«
    Er stellte einen Teller mit Obst auf die Kommode und reichte ihr den Tee. »Verstehe. Bei Nacht?«
    Sie griff nach der Tasse, um nicht antworten zu müssen, und nippte an der rubinroten Flüssigkeit. Früchtetee. Nur mit Mühe gelang es ihr, ihre entgleisende Miene in ein schiefes Lächeln umzuwandeln. »Danke.«
    »Auch etwas Obst?« Er reichte ihr den Teller mit Weintrauben, schmalen Streifen Honigmelone, Apfel- und Mandarinenstückchen, an denen etwas Sahne klebte. »Ich habe die Käsespieße und Sahneschnittchen geplündert.«
    »Nicht zu übersehen.« Ein winziger Klecks Sahne haftete an seinem Mantel. »Die armen Schnittchen haben sich anscheinend gewehrt.«
    »Die Honigmelonen- und Apfelstücke können Sie vorbehaltlos genießen, die haben sich mir auf einem Obstteller widerstandslos ergeben.«
    »Er kam, sah und siegte.« Sie wischte den Klecks von seinem Revers ab. Doch als sie die Hand senken wollte, verharrten ihre Finger über seiner Manteltasche, aus der die Ecken des Fotopapiers ragten.
    Die Bilder. Die Tasse in ihrer Hand kippte. Der Früchtetee ergoss sich über die weiße Matratze wie verdünntes Blut.
    Sie drückte sich gegen das
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