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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes
Autoren: O Krouk
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nicht, kleine Schwester?« Behutsam fuhr sie mit den Fingerkuppen über das Schild. »Hat unsere Mutter dich doch noch nach ihren Vorstellungen geformt?« Nein, dich nicht. Unmöglich.
    Leah fühlte ein verlorenes Lächeln auf ihren Lippen, erinnerte sich an das Schweigen, in das hinein Céline die Entscheidung, ausziehen zu wollen, damals hatte verkünden müssen. Am nächsten Tag waren die Schlösser ausgetauscht, und als Céline heimkehrte, warteten auf dem Fußabtreter drei Kartons mit ihren persönlichen Sachen auf sie. Auf Leahs Widerspruch hatte die Mutter nur ein beiläufiges » Ich hätte deinem Stiefvater nie erlauben sollen, ihr einen von diesen neumodischen Namen mit diesem bescheuerten Accent zugeben « parat gehabt.
    Celine Winter. Die Mutter hatte den Traum vom Jetset-Leben eines Models nie gebilligt. Und ich habe ihn unterstützt. Bis zu deinem Tod .
    Das heimlich zugesteckte Geld für Profifotos, Umarmungen und Zuspruch nach Agenturabsagen, unzählige Folgen von Next Top-Model bis spät in die Nacht …
    Das alles hat dich dem sicheren Heim entrissen. Dich in die Hände deines Mörders gestoßen.
    Mit einem Fingernagel deutete sie den Strich auf dem zerkratzten Plastik des Klingelschildes an. »Dein ganzes Leben bestand aus Akzenten, mein hässliches Entlein. Ich werde einen Weg finden, denjenigen ausfindig zu machen, der es ausgelöscht hat. Wie ich immer einen Weg gefunden habe, damit du deinen Träumen folgen konntest.«
    Es war nicht schwer, die Tür aufzusperren. Schwer war es, über die Schwelle zu treten und zum ersten Mal diese Wohnung zu sehen. Cafés und Spaziergänge im Park bildeten seit Langem die Kulisse für ihre Treffen.
    Stopp. Du hast studiert. Da könnte man erwarten, dass du die Zeitformen beherrschst. Na also.
    Hatten gebildet.
    Abgeschlossene Vergangenheit.
    Aus.
    Sie schaltete das Licht im Flur ein und fand sich auf einem Laufsteg wieder. Ihre Turnschuhe quietschten auf den schwarz glänzenden Fliesen. Wenn sie lange genug zum Ende des Korridors starrte, sah sie, wie Céline in High Heels über diesen Boden glitt und einen letzten Blick in den mannshohen, wellenförmig geschnittenen Spiegel warf, um zu überprüfen, ob ihre Kleidung perfekt saß.
    Die Falten ihres eigenen Pullovers saßen nach der Übernachtung im Trockner jedenfalls perfekt, stellte Leah fest. Für Selbstbewusste hieß »nicht gebügelt« in Modisch »Crash-Stoff«, und einen größeren Faltencrash dürfte sich kaum ein Designer vorstellen.
    Selbstbewusst genug, um ihre Turnschuhe nicht bei jedem Schritt zu verfluchen, quietschte sie sich bis zum Wohnzimmer vor, in dem Céline Unordnung in die Einrichtung aus runden, fließenden Formen geschnitten hatte. Kippen füllten einen Aschenbecher, daneben lag ein Paar hautfarbener, zusammengeknüllter Füßlinge. Ein Glas Orangensaft mit einem verschmierten Lippenstiftabdruck stand neben einem Tischbein, über der Sofalehne hing eine Strickjacke, die auf links gezogen war.
    »Chaoskind!«Leah schmunzelte und nahm die Jacke vom Sofa. Die weiche Wolle unter ihren Fingern verströmte den Geruch von kalter Zigarettenasche. Jäh glühte das Schmunzeln aus. »Ich wusste nicht, dass du rauchst. Du hättest es mir doch sagen können, ich bin nicht die Mutter, ich … «
    Das Geräusch nackter Fußsohlen auf dem Linoleum schreckte sie auf. Langes weißes Haar huschte am Rande ihres Blickfeldes vorbei.
    »Céline!« Sie fuhr herum, die Jacke fest an die Brust gepresst.
    Es war nicht Céline.
    Bloß ihre Haarfarbe.
    Die Fremde neben der Stehlampe trug ein hellblaues Hemd, das nur durch einen Knopf über ihrem Bauch zusammengehalten wurde. Darunter ein Spitzenhöschen. »Wer sind Sie denn?«
    Warst du hübsch, mein hässliches Entlein? Hübscher als andere Models? Wenn Céline bei ihr war, gab es niemand anderen.
    Die junge Frau war hübsch. Schlank. Mit straffen, glatten Beinen, die überhaupt nicht zu enden schienen, leicht gebräunt waren und seidig schimmerten. Ihre Gestalt erinnerte an eine Fee, ein ätherisches Wesen der Lüfte, das von keiner sterblichen Hand berührt werden durfte. »Ich habe gefragt, was Sie hier tun!« In den grauen Augen klirrte Eis.
    Du warst nicht hübsch, Céline. Du warst etwas Besonderes. Ob der Mörder dieses Besondere auch gesehen, ob ausgerechnet der Gedanke, es durch den Sucher des Fotoapparats zu betrachten, ihn angelockt hatte?
    »So, ich rufe jetzt die Polizei.«
    »Nein.« Sie stolperte fast über eine Fleecedecke, die neben einem der
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