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Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus
Autoren: Inez Corbi
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von Sydney aus lediglich ein schmaler Trampelpfad durch dichten Busch führte – Moira und Duncan würden niemals rechtzeitig dort ankommen.
    Â»Habt Ihr eine Erklärung dafür«, wandte sich Mr Howe an Moira, »weshalb Dr. McIntyre ausgerechnet nach Niederländisch-Indien aufgebrochen ist?«
    Â»Niederländisch-Indien?«, wiederholte sie schwach.
    Â»Nun, die Zeelandia segelt nach Batavia«, erklärte Howe. »Und da es sich um ein holländisches Schiff handelt, könnte es möglicherweise sein, dass Dr. McIntyre ohne die Erlaubnis des Gouverneurs abgereist ist. In diesem Fall muss er natürlich alle Schiffe und Ziele vermeiden, die zum britischen Hoheitsbereich zählen.«
    Moira hielt sich an dem einzigen für sie wichtigen Hinweis fest und sah Duncan aus verweinten Augen an. »Dann – dann reisen wir eben auch nach Batavia. Irgendwer wird uns das Geld dafür schon leihen.«
    Â»Das geht nicht«, sagte er leise. »Hast du vergessen, dass ich das Land noch nicht verlassen darf?«
    Sie biss sich auf die Lippen – sie hatte es tatsächlich vergessen. Duncan war zwar vom Gouverneur begnadigt worden, aber es war ein conditional pardon gewesen, das besagte, dass er so lange in der Kolonie bleiben musste, bis seine ursprüngliche Strafe von sieben Jahren vorüber war. Und das würde noch eine ganze Weile dauern.
    Â»Dann … dann fahre ich eben alleine nach Batavia.«
    Â»Und dann? Selbst wenn du ihn dort aufstöbern solltest – was willst du tun? Rechtlich gesehen ist McIntyre Joeys Vater.«
    Â»Nach britischem Recht. Batavia ist eine niederländische Kolonie.«
    Â»Glaubst du, nach niederländischem Recht wäre es anders?«
    Moira ließ den Kopf hängen. Sie hatte keine Ahnung von niederländischem Recht. »Aber ich … wir müssen doch irgendetwas tun«, flüsterte sie.
    Erschöpft wandte sie sich ab. Sie ertrug es nicht länger, auf das Wasser starren und zusehen zu müssen, wie das Schiff mit Joey an Bord langsam aus dem Hafen hinaussegelte und einen Teil ihres Lebens mitnahm. Eine unnatürliche Ruhe senkte sich über sie, schwächte die Geräusche um sie herum ab und ließ ihre Tränen versiegen. Etwas in ihr war zerbrochen, hatte einen Riss bekommen wie ein Gefäß, das irgendwo angeschlagen war.
    Sie drehte sich nicht um, als hinter ihr aufgeregte Stimmen und Rufe erklangen und dann das Schreien eines kleinen Kindes. Wie lange wollte man sie denn noch quälen?
    Â»Miss Moira«, hörte sie Tedburys Stimme hinter sich.
    Sie antwortete nicht. Sie wollte niemanden mehr sehen, niemanden mehr hören, wollte nur noch fort von hier und sich verkriechen.
    Â»Moira!« Duncans Stimme, voller ungläubiger Freude. »Moira, sieh doch!«
    Was war denn noch? Müde, unendlich müde wandte sie sich nun doch um. Und glaubte zu träumen. Die Beine gaben unter ihr nach, aber sie spürte den Schmerz nicht, als sie auf die Knie sank und sich kleine Steinchen in ihre Haut bohrten. Sie sah nur eine tropfnasse Ningali. Und in ihren Armen, genauso nass und vor Empörung brüllend – Joey.
    *
    Die Zeelandia glitt vorbei an einer tief ausgeschnittenen, waldigen Bucht, über der sich ein wolkenloser Himmel spannte. Alistair hatte keinen Blick für die Schönheit der Natur. Wie erstarrt sah er durch das Teleskop dem kleinen Kanu nach, das sich rasch entfernte.
    Henry war fort. Sein Sohn, sein Erbe, seine Zukunft.
    Vor wenigen Minuten war Ann schluchzend zu ihm gekommen und hatte ihm Ungeheuerliches berichtet: Eine ganze Horde von Wilden habe das Kind gestohlen. Sie, Ann, habe keine Chance gehabt. Die Wilden seien in die Kabine eingedrungen und hätten den kleinen Henry mit sich genommen, ohne dass Ann sie davon habe abhalten können.
    Alistair war sofort an die Reling gestürzt. Er sah keine Horde von Wilden, nur ein einzelnes Kanu, das sich vom Schiff weg auf das Ufer zubewegte. Zwei Personen saßen darin. Als Alistairs zitternde Hände ein Teleskop darauf richteten, glaubte er, in einer der beiden das Mädchen zu erkennen, das früher so häufig in Toongabbie aufgetaucht war. Es durchfuhr ihn wie ein Blitz: Hatte Duncan nicht einmal davon gesprochen, sie sei seine Halbschwester? Un d jetzt hielt sie ein strampelndes kleines Bündel im Arm. Henry.
    Alistair ließ das Teleskop sinken, ein Laut wie ein Schluc hzen entfuhr ihm.
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