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Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus
Autoren: Inez Corbi
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Er hatte alles verloren. Seine Ehre, seine Arbeit, seinen Sohn.
    Ein Schatten fiel auf ihn, als Mr van der Linden, der Kapitän der Zeelandia, neben ihn an die Reling trat.
    Â»Abschied ist immer schmerzlich.« Kapitän van der Lindens Englisch hatte einen weichen Klang, wie das der meis ten Niederländer. »Lasst Ihr jemanden zurück, der Euch lieb und teuer war, Doktor?«
    Auch wenn alles in Alistair danach schrie: Er konnte den Kapitän nicht darum bitten, umzukehren. Zum einen, weil man ihn, Alistair, dann wegen Fahnenflucht festnehmen würde, zum anderen, weil Moira sicher ihre Drohung wahrmachen und ihn anzeigen würde.
    Â»Nein«, gab er beherrscht zurück und rieb sich eine einzelne Träne aus dem Gesicht. »Es ist nur der Wind.«
    *
    Das im Wellengang leicht schwankende Licht der kleinen Laterne warf flackernde Schatten auf das ärztliche Logbuch. Alistair hatte sich bereits zur Nacht umgekleidet, aber noch saß er an dem winzigen Schreibtisch und schrieb an einem Bericht über die mangelnde Bereitschaft der Seeleute, Sauerkraut zu sich zu nehmen, um dem Skorbut vorzubeugen. Als Schiffsarzt hatte er das Glück, eine der größeren Kajüten bewohnen zu dürfen, die bei Tag gleichzeitig als Praxisraum diente. Bisher war es allerdings außer einem gequetschten Daumen bei einem Matrosen noch zu keinen weiteren Unfällen gekommen. Seit zwei Wochen waren sie nun auf See, und es würde mindestens weitere zwei Wochen dauern, bis sie in Batavia landeten. Wie es danach weiterginge, ob sie von dort aus tatsächlich in eine der Städte an der Ostküste Nordamerikas reisen würden – all das würde sich irgendwie ergeben. Zurzeit war es ihm völlig egal.
    Wenigstens hatte er niemandem Henrys Abwesenheit erklären müssen: Als er die Stelle als Schiffsarzt angenommen hatte, hatte er lediglich seine neue Gemahlin erwähnt. Nicht auszudenken, wenn durch einen dummen Zufall Moira hinter seine Pläne gekommen wäre. Sie hätte alles zunichtemachen können.
    Anns leise Stimme durchbrach das eintönige Wellenrauschen. »Wollt Ihr … nicht auch schlafen gehen?«
    Â»Gleich, Ann, gleich.« Sie saß auf dem Bett, im Halbdunkel konnte er ihr Gesicht kaum erkennen.
    Ann, die er stets nur als Dienstmagd gekannt hatte, nun als Gemahlin zu sehen, fiel ihm noch immer schwer. Er hatte sie noch nicht angerührt – und hatte es auch nicht vor. Ihre Eheschließung hatte lediglich einem Zweck gedient: Er brauchte eine Mutter für Henry. Und das war jetzt nicht mehr von Belang.
    Zumindest war sie eine fügsame Gattin. Nicht so wie Moira, die stets ihren eigenen Kopf hatte. Ann hatte ihn nicht einmal gefragt, wieso er Henrys Entführung so stillschweigend hingenommen hatte, ohne den Kapitän zu bitten umzukehren. Falls sie ahnte, dass ihre überstürzte Abreise nicht ganz mit rechten Dingen zugegangen sein konnte, so sprach sie es jedenfalls mit keinem Wort an.
    Er hörte, dass sie aufstand, dass ihre leise tappenden Füße um das Bett herumgingen.
    Â»Sir, ich … Alistair!« Er blickte auf. Ann stand vor ihm, auch sie im Nachthemd, mit offenen Haaren. »Wir … wir könnten ein eigenes Kind haben«, flüsterte sie.
    Kurz ließ er die Feder sinken. »Ich habe noch zu tun, Ann. Und ich bin müde.« Das war er. Unendlich müde. Des Lebens, des Kämpfens, des ständigen Versteckens.
    Ann schluckte, dann zog sie die Kordel auf, die ihr Nachthemd zusammenhielt. Der Stoff sank an ihr hinab, so dass sie nackt vor ihm stand.
    Sie war beileibe keine Schönheit, doch beim Anblick ih rer kaum ausgebildeten Brüste, der mageren, knabenhaften Gestalt regte sich etwas bei ihm.
    Bevor er etwas sagen konnte, hatte sie sich vor ihn gekniet.
    Â»Was … was tust du?«
    Â»Lasst mich nur machen.«
    Als sie eine Hand unter sein Nachthemd gleiten ließ, wollte er sich zuerst empört abwenden. Aber dann stockte er. Ließ zu, dass auch ihre andere Hand ihn dort berührte, wo ihn bis auf ein einziges Mal noch niemand außer ihm selbst berührt hatte. Und dann ein Mund. Hitze durchflutete ihn.
    Â»Oh«, stöhnte er auf und lehnte sich zurück. »Oh. Ann.«

23.
    Â»Nein, Joey!« Moira stellte das Brett mit den frisch gebackenen Maisbrötchen rasch auf dem Tisch ab, um ihren Sohn davon abzuhalten, noch mehr Mehl in der Hütte zu verteilen. Sie wollte
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