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Im Tal des wilden Eukalyptus

Im Tal des wilden Eukalyptus

Titel: Im Tal des wilden Eukalyptus
Autoren: Inez Corbi
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Druckerei lag.
    Die George Street führte fast schnurgerade bis hinunter zum Hafen. Auf einer behelfsmäßigen Werft lag ein Schiffsgerüst, an dem ein paar Sträflinge arbeiteten. Die Sonne goss weißes Licht über das weit ins Land eingeschnittene Hafenbecken. Einige Kanus der Eingeborenen waren zu sehen, eine englische Fregatte lag vor Anker, und daneben hatte gerade ein dreimastiges Handelsschiff unter rot-weiß-blauer Flagge abgelegt.
    Moira keuchte auf und rutschte von Artemis’ Rücken, kaum dass sie das Ufer erreicht hatten.
    Â»Das ist ein niederländisches Schiff«, beruhigte Duncan sie. »Der Doktor wird sicher nicht …«
    Moira stieß einen Ton aus, der halb Schluchzen, halb Schrei war, und deutete auf das Schiff. »Doch! Da! Da ist er!«
    Jetzt konnte auch Duncan es sehen: Zeelandia war vorne, an der Seitenwand des Bugs, zu lesen. Und fast direkt dar­über, hinter der Reling, stand ein Mann in dunklem Rock. Dr. McIntyre.
    Duncan fühlte sich, als hätte man ihm einen Schlag in den Magen versetzt. Eisige Kälte breitete sich in ihm aus, und alle Hoffnung, die er bis jetzt noch gehabt hatte, sank ins Bodenlose.
    Moira rief verzweifelt nach ihrem Sohn; Duncan konnte sie nur mit Mühe zurückhalten, sich ins Wasser zu stürzen. Selbst wenn sie hätte schwimmen können – es wäre zu spät gewesen. Die Zeelandia entfernte sich immer weiter.
    Duncan sah dem Schiff nach, Wind wehte vom Wasser her, trieb ihm die Tränen in die Augen und trübte seine Sicht. Auch der Doktor blickte zu ihnen herüber. Duncan konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber er glaubte zu wissen, wie McIntyre ihn jetzt ansah: schweigend, wie versteinert. Dann ging ein Ruck durch den Körper des Doktors, als müsste er sich mit Gewalt losreißen, und er drehte sich um.

22.
    Das Wasser klatschte gegen die hohe Wand des riesigen Gefährts, das die Weißen Schiff nannten, und bildete eine schwankende Grenze zwischen dem Nassen und dem Trockenen. Hoch wie ein Baum erhob sich der hölzerne Schiffsrumpf vor Ningali und Tedbury. Weiter darüber blähten sich die Segel im Wind und trieben das Schiff voran.
    Ihr kleines Kanu schaukelte stark; Tedbury hatte Mühe, es ruhig zu halten. Mit beiden Händen klammerte er sich an eine der schweren Ketten, die rechts und links des großen Ruders herabhingen, und hielt sein Kanu mit der ganzen Kraft seines Körpers an der Seite des schwimmenden Hauses.
    Die Strecke von Parramatta nach Sydney, der anderen Stadt der weißgesichtigen Menschen, war auf dem Wasserweg schnell zu bewältigen, vor allem, wenn man mit der Strömung paddelte. Sie beide hatten gehandelt, ohne lange zu überlegen. Tedburys Rindenkanu lag nicht weit entfernt, und er war ein geübter Kanufahrer; geschickt hatte er sein Boot durch den rasch fließenden Fluss gelenkt und sie an einigen kleinen Inselgruppen vorübermanövriert, bis sie im Hafen von Sydney angekommen waren. Dass sie richtig lagen, hatte Ningali erkannt, als sie für einen kurzen Moment die schwarzgekleidete Gestalt des Doktors an Bord des Schiffes gesehen hatte.
    Â»Schaffst du es auch wirklich alleine?«, fragte Tedbury jetzt, aus seinem Gesicht sprach Sorge.
    Ningali, die im vorderen Bereich des Kanus kniete, nickte wortlos und griff ebenfalls nach der Kette.
    Die metallenen Glieder lagen kalt in ihrer Hand. Tedbury n ickte ihr noch einmal aufmunternd zu, dann brachte er das Kanu mit ein paar kräftigen Paddelstößen fort vom Schiff.
    Ningali klammerte sich an die Kette und begann geschickt wie ein Kusu, daran hinaufzuklettern. Bald gingen die Kettenglieder in ein festes Tau über, an dem ihre Hände besseren Halt fanden. Oben angekommen, lugte sie über den Rand. Am vorderen Ende des Schiffes waren einige Menschen zu sehen, niemand achtete auf sie. Sie zog sich das letzte Stück hoch, kletterte über die Umrandung und duckt e sich hinter einem kleinen Beiboot, das hinter einem hölzernen Aufbau vertäut war. Nah bei sich sah sie ein paar Burschen herumlaufen; alle waren ähnlich wie sie selbst in Hemd und Hose gekleidet – auf die Schnelle würde sie hier sicher nicht auffallen.
    Kurz atmete sie durch. Wohin jetzt? Wo war der Junge?
    Ningali war noch nie auf einem Schiff gewesen; alles war fremd hier, beängstigend – das Knattern der riesigen Segel hoch über ihr, die langsam rollenden Bewegungen des
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