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Im Sturm der Sinne

Im Sturm der Sinne

Titel: Im Sturm der Sinne
Autoren: Cynthia Breeding
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Linie. »Wie oben so unten.« Die Summe allen Wissens, für alle mit Augen, um zu erkennen.
    Das Bild der rothaarigen Frau aus ihrer Vision erschien vor ihren Augen, der Kelch, den die Maid ihr reichte, schob sich über den Kelch, den Deidre in Händen hielt.
    Sie starrte ihn an, versuchte die grauen Schatten vor ihren Augen zu vertreiben. Langsam begann der Kelch zu glühen und wurde in ihren Händen warm. Sie lehnte sich an den Bettpfosten.
    »Geht es dir gut?«, Gilead hatte ihren Arm ergriffen und sah sie besorgt an.
    Sie blickte zu ihm auf. »Mehr als gut. Du hast ihn gefunden.«
    »Was?«, fragte er mit besorgter Stimme.
    »Den Kelch«, sagte sie und hob ihn hoch. »Das ist Gar-al … der Kelch aus Stein. Oder genauer gesagt«, fügte sie hinzu und sah ihn voller Ehrfurcht an, »der Stein der Weisen.«
     
    Sie näherten sich dem Steinkreis kurz vor Einsetzen der Morgendämmerung. Die Nacht war mild gewesen, und feiner Nebel hing über dem Gras, der hier und dort in Schwaden aufstieg. Deidre hatte den Kelch vorsichtig in eine Satteltasche gepackt. Was ein wundersamer Abschluss ihrer ehelichen Vereinigung hätte werden sollen, hatte nun eine bittersüße Wendung erfahren.
    »Ich werde, sobald ein Schiff zur Verfügung steht, nach Languedoc reisen müssen«, sagte Deidre, als ihr Gilead beim Absteigen half und sie den Kelch auspackten. »Er muss zurückgebracht werden.«
    »Ich weiß«, sagte er, »und du hast mir auch gesagt, dass du alleine reisen musst, damit dich Childeberts Truppen nicht aufspüren, aber das gefällt mir nicht. Die Antwort deines Cousins auf den Brief meines Vaters klang nicht gerade glücklich. Solltest du gefangen werden, wird er dich als Geisel behalten. Lass mich und unsere Männer zumindest bis nach Béziers mit dir reisen.«
    »Wir haben schon darüber gesprochen«, sagte Deidre geduldig. Denn auf dem langen Ritt hatten sie kaum über etwas anderes gesprochen. »Falls – und das werden sie – Childeberts Männer eine schottische, bewaffnete Galeere entdecken, werden sie denken, dass du kommst, um das Land zurückzufordern, das ich als Teil dieser Abmachung aufgegeben habe. Und dann gäbe es Krieg. Nein.«, fuhr sie fort, ohne Gilead zu Wort kommen zu lassen, »es ist besser, wenn ich auf einem Frachtschiff reise. Schhh«, sagte sie, als er wieder zum Sprechen ansetzte. »Lass uns unser Glück nicht mit einem Streit trüben. Ich möchte den heiligen Schwur sprechen.«
    Gilead legte einen Arm um ihre Hüfte, seine warmen, starken Finger waren sehr beruhigend. Deidre hielt den Kelch von sich. Hellorange und rote Strahlen brachen durch die Lücken zwischen den Steinen, als der Rand der Sonne sich über den Horizont schob und den Kreis in ein unheimliches Licht tauchte. Deidre lächelte ihn an, als sie durch die Steine traten.
    »Hier seid ihr endlich.«
    Erschrocken fuhren sie herum. Der Kreis war leer, aber die Stimme hatte voll und melodisch getönt. Langsam stieg Nebel vom Boden auf und schloss sie in anmutig wirbelnde Spiralen ein, die so dicht wurden, dass sie die Steine nicht mehr erkennen konnten und sie von einer weichen Wolke grauen Dunstes umschlossen waren. Die ätherische Musik, die Deidre beim letzten Mal gehört hatte, strömte wieder aus den Steinen, sanfter und melodiöser als Drustans Harfe.
    Die Gestalt der Maid erschien, das rot-goldene Haar strömte aus ihrem Kopf, ihr hauchzartes weißes Gewand umschwebte sie sanft. Sie lächelte sie an und streckte ihre Hände aus. »Ich werde den Kelch nehmen.«
    Deidre reichte ihn ihr. »Ich dachte, ich müsste ihn zurück in die Grotte in der Languedoc bringen, damit Frauen wieder an die Macht kommen.«
    »Die Zeit ist noch nicht reif dafür«, antwortete die Gestalt, und die Musik hörte plötzlich auf. Völlige Stille umgab sie. »Eine große Dunkelheit naht. In den falschen Händen bringt die Macht und das Wissen dieses Kelches grauenhafte Zerstörung. Es ist besser, er bleibt sicher verborgen, bis die Menschheit sich wieder zum Licht erhebt.« Die Gestalt lächelte, und die Musik erklang wieder. »Dann werden Frauen mit äußerster Höflichkeit und Respekt behandelt werden. Die Weisheit der Göttin darf wieder scheinen. Aber ich glaube«, sagte sie etwas schelmisch, als sich ihre Gestalt aufzulösen begann, »Ihr seid wegen etwas anderem hier. Ich will Euch nicht aufhalten.«
    Der Nebel löste sich so schnell auf, wie er erschienen war, und sie fanden sich mitten in einem sonnendurchfluteten Steinkreis wieder unter einem
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