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Im Schloss der schlafenden Vampire

Im Schloss der schlafenden Vampire

Titel: Im Schloss der schlafenden Vampire
Autoren: Stefan Wolf
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inzwischen
gemindert, aber noch nicht ganz verflogen war. In gewisser Weise galten
mildernde Umstände also auch für ihn.
    Er saß in seiner Bude in einem
Vorort der TKKG-Stadt und schlug plötzlich klatschend die Hände zusammen. Ja,
das war’s! Tolle Idee! Und so nah an der Wirklichkeit.
    Als die Beziehung noch bestand,
hatte ihm Julia Einzelheiten von Schloss Prinzenruh erzählt: über die
Geschichte, die Eigentümer, das Umfeld — und den makabren Ruf als Spukschloss.
Denn immerhin ging die Sage von dem Mönch ohne Namen — von diesem verstorbenen
Betbruder aus vergangenen Jahrhunderten, der bisweilen in Erscheinung trat und
jedermann erschreckte. Natürlich ein Unsinn und Julia hatte sich deswegen kein
bisschen gegruselt. Aber nun sah Steffen in dieser Spukgestalt seine Chance. Er
würde ihn heute Nacht zum Leben erwecken. Der Mönch würde spuken. Julia sollte
sich fürchten, dass ihr die Gänsehäute bis unter die Fußsohlen reichten. Ja,
Julia würde dem Mönch wahrhaftig begegnen. Und wenn sie — und wohl auch diese
Gaby — sich dann in ihrem Zimmer verbarrikadierten, zitternd vor Angst,
schlotternd an sämtlichen zarten Knochen — dann würde er, Steffen Küntler,
künftiger Spezialist für Petrochemie, als Retter auftauchen, als mutiger
Beistand, als unverzichtbarer Kavalier, als der Typ, dem Julia abermals ihr
Herz schenken würde.
    Er malte sich das ganz toll
aus, während er jetzt die entsprechenden Utensilien zusammensuchte: eine
muffige Mönchskutte mit Kapuze, die er als Mitwirkender bei einem
mittelalterlichen Laienspiel getragen hatte, und eine dunkle Sturmhaube für
alpine Ski-Abfahrten bei Minusgraden. Das Ding hatte die Funktion einer
Wollmaske und nur winzige Sehschlitze. Damit angetan war er der Mönch ohne
Gesicht.

    Steffen packte alles zusammen
und legte es in den Kofferraum seines Alfas.
    Eine Stunde Fahrt — höchstens,
dann würde er sein Ziel erreicht haben und konnte den Spuk noch vor Mitternacht
beginnen.
    „Der Mönch spukt tatsächlich“,
murmelte er grinsend und fuhr los.
    Im Schloss, wo er Julia anfangs
mehrmals besucht hatte, kannte er sich ziemlich gut aus.

19. Panik
     
    23.00 Uhr. — Tim, Karl und
Klößchen hatten sich in die Dunkelheit der weiten Wiese zurückgezogen und
während ihrer Wartezeit einiges beobachtet: Thorsten Pritsche war angetanzt,
vielmehr auf einem alten Damenrad heran geradelt, wusste offenbar worum es ging
und war nervös wie ein Nichtschwimmer, dessen Boot auf hoher See kentert. Pritsche
fuhr Schlangenlinien und rauchte hektisch. — Dann, vor etwa 20 Minuten , war
ein weißer Alfa Romeo vorbeigefahren Richtung Schloss und noch nicht
zurückgekehrt. Tim hatte ausgemacht: ein Insasse — der Fahrer — und städtisches
Kennzeichen. Sicherlich ein Bekannter des Schlossverwalters. Allerdings war die
Besuchszeit ungewöhnlich.
    „Manche Tage“, brummelte
Klößchen, „sollte ich aus meiner Erinnerung streichen. In der Jugendherberge
haben wir das Essen verpasst. Die vier Mädchen sind dorthin zurückgeschnürt.
Die Gasthöfe schließen jetzt. Und von Heymwacht können wir nicht erwarten, dass
er uns eine Brotzeit serviert.“
    „Vielleicht hat er eine Tüte
Hühnerfutter für dich“, meinte Karl.
    „Achtung!“, zischelte Tim.
    In diesem Moment kam Pritsche
aus der Villa. Er trug eine große Tasche, die natürlich das Lösegeld enthielt —
die 500 000 — und in der anderen Hand ein Mobiltelefon. Das hielt er mit
gebeugtem Arm, als erwarte er jeden Moment einen Anruf und wolle zeitsparend
den Weg zum Ohr verkürzen. An der Tasche schleppte er schwer. Er schlurfte noch
knieknickeriger als sonst. Auch jetzt klebte eine Zigarette im Mundwinkel.

    Der ideale Geldbote!, dachte
Tim. Der hat ja jetzt schon die Hose voll.
    Pritsche trat auf die Straße,
wandte sich waldwärts und schlurfte los. Seine Sohlen scharrten weithin hörbar
auf dem Asphalt.
    „Wir lassen ihm Vorsprung“,
sagte Tim. „Dann hinterher. Möglicherweise beobachtet der Entführer mit dem
Nachtglas. Also sind wir drei harmlose Boys, die ein Bier gezischt haben, was
sie eigentlich noch gar nicht dürfen und auch nicht vertragen. Wir blödeln und
torkeln und reißen dumme Witze. Alles klar?“
    „Sowas bringe ich ohne Probe“,
grinste Klößchen.
     
    *
     
    Stille im Schloss. Nirgendwo
Licht innerhalb des Gemäuers. Nur draußen um die Laternen jagten die
Fledermäuse.
    Konrad Vogt, der Autodieb und
Entführer, schwitzte vor Angst. Alles versaut! Eine Katastrophe! Wie konnte
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