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Im Schloss der schlafenden Vampire

Im Schloss der schlafenden Vampire

Titel: Im Schloss der schlafenden Vampire
Autoren: Stefan Wolf
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Stöhnen. Dann herrschte Stille.
    Gaby fröstelte, obwohl sie mit
absoluter Sicherheit weiß: Es gibt keine Gespenster und damit auch keinen Spuk.
    „Wir haben ihn doch nicht etwa
herbeigeredet“, Julia war blass geworden, „den Mönch — meine ich. Himmel, den
gibt’s doch nicht.“
    Gabys Strahlerzähne klapperten
etwas, als sie sagte: „Da will uns jemand zum Narren halten. Soviel Humor hätte
ich Edmund Vogt gar nicht zugetraut. Komm, wir tun ihm den Gefallen.“
    „Was meinst du?“
    „Wir sehen nach. Vielleicht hat
er sich als Gespenst verkleidet und freut sich diebisch, wenn wir schreiend
wegrennen.“
    „Die Stromleitung ist defekt.
Auf dem Flur ist kein Licht.“
    „Du hast doch die Lampe. Nicht
die Rotlichtlampe — die andere.“
    „Also gut!“
    Julia war anzusehen, dass sie
den Ausflug allein nicht unternommen hätte.
    Gaby schlüpfte in ihre
Turnschuhe. Julia nahm die großformatige Stableuchte. Sie verließen das
gemütliche Zimmer und zogen die Tür hinter sich zu. Das Stöhnen und Stampfen
hatten sich nicht wiederholt. Doch in diesem Moment gab der ,Geist’ gurgelnde
Laute von sich, als werde er gewürgt und sei kurz vor dem Erstickungstod.
    Gaby stellte fest: Der ,Spuk’
war am Ende des Flurs, wo breite Säulen das Dachgeschoss trugen. Dort hingen
auch die weniger wichtigen Porträts aus der Ahnengalerie derer von Lauchtingen,
die mit ihrer Genealogie (Familienforschung) bis ins 12. Jahrhundert
rückschauend vorgedrungen waren. Schon damals hatten Altvordere in dieser
Gegend für Ungemach gesorgt. Einer von ihnen — bärtig und mit ritterlicher,
Nahkampf tauglicher Kopfbedeckung — hing an der Wand im übergroßen
Passbild-Format.
    „Klingt schaurig.“ Gaby
kicherte.
    „Wenn wenigstens meine
Fledermäuse hier wären“, flüsterte Julia.
    „Vielleicht machen sie ihm den
Garaus.“
    „Gaby! Sie jagen Insekten,
keine Mönche.“
    „Dann los!“
    Wieder das Stöhnen. Es klang,
als hätte er den Kopf unterm Arm und den Mund in der Achselhöhle.
    Der Lichtkegel aus der
Stablampe geisterte voran. Gaby und Julia blieben dicht zusammen. Auch Tims
Freundin war jetzt nicht mehr ganz wohl zu Mute? Vielleicht war das nicht Vogt,
sondern... ja, wer? Ein Verrückter? Ein Eindringling? Das Schloss hatte so
viele Eingänge. Die waren zwar alle verschlossen. Aber wer sich nur ein
bisschen geschickt anstellte, konnte dieses Hindernis knacken.
    Langsam näherten sie sich der
Biegung des Flurs. Jetzt war Stille. Im nächsten Moment schienen Fingernägel
über die Mauer zu kratzen.
    Die beiden Mutigen hatten die
Biegung fast erreicht. Der Lichtkegel fiel bereits auf das Ritter-Porträt.
    „Weißt du, wie der Mönch
heißt?“, flüsterte Gaby mit mühsamer Heiterkeit. „Dann könnten wir ihn anreden
und...“ Sie verstummte. Denn der Mönch trat hinter der Ecke hervor.
    Schaurig sah er aus, eingehüllt
in eine dunkle Kutte, das Gesicht ein schwärzliches Nichts.
    Groß war er, seine Haltung
drohend. Jetzt riss er die Arme hoch und machte einen Schritt vorwärts, kam auf
die beiden zu. Dabei schienen Augen zu glitzern in dem nicht vorhandenen
Gesicht.

    Julia schrie auf, fuhr herum
und rannte, mit der freien Hand Gaby fassend, zurück. Tims Freundin musste mit,
ob sie wollte oder nicht. Im Übrigen wollte sie.
    Hinter ihnen stampfte der
Verfolger heran. Für einen körperlosen Geist war er unglaublich laut. Ja, er
verfolgte sie, keuchte dabei. Gaby vermeinte, Bierdunst zu riechen. War’s Vogt?
Oder doch ein Eindringling, ein Verrückter?
    Gehetzt, buchstäblich gehetzt,
flohen die Mädchen zu ihrem Zimmer — flohen nicht vor der Spukgestalt, sondern
vor dem, der sich in dieser historischen Maske verbarg.
    Nur knapp hängten sie ihn ab.
Kaum dass sie drin waren und Gaby den innen steckenden Schlüssel gedreht hatte
— wurde auf die Klinke gedrückt.
    Er rüttelte an der Tür, trat
dagegen, schlug mit der Faust.
    „Weg da!“, rief Gaby. „Oder wir
schießen.“
    Wirkte das? Schlich er weg?
    Gaby legte das Ohr ans Holz,
horchte und vermeinte, leise Schritte zu hören. Ja, er entfernte sich.
    „Ich... glaub’s nicht“,
flüsterte Julia.
    „Vogt war das nicht. Der ist
kleiner. Der Mönch war über einsachtzig.“
    „Was will der von uns?“
    Beide horchten noch für einen
Moment an der Tür und zuckten dann zusammen, als Julias Handy piepste.
    „Um diese Zeit?“ Sie meldete
sich.
    Gaby stand neben ihr, hörte mit
und erkannte die Männerstimme sofort.
    „Hallo, Julia!
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