Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten von Montmartre

Im Schatten von Montmartre

Titel: Im Schatten von Montmartre
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
Chatelain,
meine Sekretärin. „Und wessen Mörder?“
    Ich hatte ihr soeben von meiner bewegten Nacht
erzählt, doch sie konnte nicht ahnen, auf wen sich meine Bemerkung bezog.
    „Pruniers Mörder war es, der die Flics angerufen
hat“, sagte ich. „Ich kann es mir lebhaft vorstellen, so als wär ich selbst
dabeigewesen. Der Mörder — alles spricht für einen Mann, denn es ist von einem
anonymen Anrufer die Rede, nicht von einer Anruferin — der Mörder also bringt
Prunier um und drückt der bewußtlosen Simone die Waffe in die Hand, um ihr den Mord
in die Schuhe zu schieben. Dann lockt er mich an den Tatort. Er hält mich für
dumm genug...“
    „Nicht sehr schmeichelhaft für Sie, Chef“,
bemerkte Hélène lachend.
    „Er kennt mich eben noch nicht! Da er
feststellt, daß ich die Flics nicht alarmiere, tut er’s selbst. Er muß irgendwo
in der Nähe gelauert haben, um mich zu beobachten.“
    „Apropos dumm genug: Haben Sie schon eine Idee,
wer’s gewesen sein könnte?“
    „Wenn er Prunier getötet hat, um Simone zu
schaden und damit ihrem Vater eins auszuwischen, dann ist das jemand, der diese
Familie nicht übermäßig in sein Herz geschlossen hat.“
    „Vielleicht hatte er ja andere Motive. Ich weiß
nicht, aber dieser Prunier hat ein Gesicht... als hätte er krumme Sachen
gedreht. Was halten Sie von der Geschichte mit dem Rauschgift? Ich meine nicht
die Dosis, die man dem Mädchen verabreicht hat. Lesen Sie den Artikel zu Ende!“
    Ich las ihn zu Ende. Der Journalist — nicht mein
Freund Marc Covet, sondern einer seiner Kollegen — wies darauf hin, daß „eine
Spritze, die auf einem Nachttisch in einem unordentlichen Schlafzimmer gefunden
wurde, darauf schließen läßt, daß man es mit einem Fall fürs Rauschgiftdezernat
zu tun hat.“
    Dann fuhr er fort:
     
    Es ist bekannt, daß nach mehreren Verhaftungen
in den letzten Monaten das „Verteilernetz“ der Drogenhändler zerstört worden
und der Rauschgiftmarkt durch einander geraten ist...
     
    Meiner Meinung nach hatte der Journalist nur
Zeilen schinden wollen, und das sagte ich auch Hélène.
    „Wenn Pruniers Mörder ein erbitterter Feind der
Familie Coulon ist“, erwiderte sie, „wird er möglicherweise zu einem weiteren
Schlag gegen Vater und Tochter ausholen. Denn der gestrige Versuch ist ja wohl
gescheitert.“
    „Anzunehmen. Aber bestimmt wird er nicht so bald
etwas Neues unternehmen. Und bis dahin...“
    „Haben Sie ihn geschnappt, stimmt’s?“
    „Werd’s versuchen. Ich bin ihm zwar nicht
besonders böse, auch wenn er mich reinlegen und in eine raffinierte Falle locken
wollte. Früher oder später werden die Flics sowieso auf Simone Coulon stoßen.
Dann wäre es gut, wenn ich mein Verhalten gestern nacht rechtfertigen könnte.
Und dazu muß ich ihnen schon etwas Handfesteres bieten als meine üblichen
Märchen.“
    „Das dürfte Ihnen doch nicht schwerfallen! Der
Mörder wußte, daß Sie das Mädchen suchten. Das grenzt den Kreis der Verdächtigen
ein.“
    „Das grenzt überhaupt nichts ein! Seit einer
Woche habe ich mehr als zwanzig Personen dieselbe Frage gestellt: ,Haben Sie
Simone Coulon gesehen?“ Allein in Cannes habe ich außer Rita Cargelo eine ganze
Armee ausgefragt. Hab nicht mal alle Namen und Adressen. Selbst wenn ich sie
Revue passieren lassen wollte, könnte ich’s nicht.“
    „Fangen Sie doch mit denen an, deren Namen und
Adressen Sie kennen.“
    „Das werd ich auch... falls mir nichts
Genialeres einfällt. Doch ich fürchte, das ist verlorene Zeit. Coulon
behauptet, daß er den Ausreißversuch seiner Tochter geheimgehalten habe, und
ich glaube es ihm. Aber ihm können durchaus ein paar Worte rausgerutscht sein,
ohne daß er’s wollte. Und in welche Ohren sie gelangt sind, weiß ich nicht. Was
tun? Während ich auf einen Geistesblitz warte, werde ich mich dem Auftrag
widmen, den Coulon mir heute nacht zugeschustert hat. Sie wissen doch:
Clarimonts Jadefiguren. Das ist eine ganz ruhige Arbeit.“
    „Und der Film, den Sie aus Pruniers Haus
mitgenommen haben?“
    Eine gute Frage. Ich hatte erst einen Teil
gesehen. Großen Aufschluß erwartete ich nicht von dem Rest der Rolle, aber ich
wollte mir das Filmehen bis zum Ende ansehen. Schon allein, um mein Gewissen zu
beruhigen. Also beauftragte ich Hélène, einen Vorführapparat auszuleihen. Nach
meiner Rückkehr aus Sceaux würden wir aus meinem Büro ein Kino machen.
     
    * * *
     
    Die zweigeschossige Villa von Dr. Clarimont in
Sceaux war in normannischem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher