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Im Schatten dunkler Mächte

Im Schatten dunkler Mächte

Titel: Im Schatten dunkler Mächte
Autoren: Karen Marie Moning
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wissen, dass er auf mich aufpasste, während ich bewusstlos war. Er mochte mich wie eine Wünschelrute durch die Gegend geschleppt haben, doch damit konnte ich leben.Heute Abend jedoch war ich allein. Der Gedanke, auch nur für einige Augenblicke auf den Straßen Dublins angreifbar für jeden und alles zu sein, erschreckte mich zu Tode. Was, wenn ich eine ganze Stunde ohne Besinnung war? Was, wenn ich mit dem Gesicht nach unten in die ekelige Pfütze fiel, in der ich kauerte? Dann ertrank ich in ein paar Zentimetern von … igitt.
    Ich musste aus dieser Lache heraus. Dann würde ich nicht ganz so jämmerlich sterben.
    Ein eisiger Wind heulte durch die Straße, fegte durch die Lücken in der Häuserzeile und trieb mir die Kälte unter die Haut. Alte Zeitungen wurden wie Steppenhexen über zerbrochene Flaschen, weggeworfene Verpackungen und Becher gewirbelt. Ich fuchtelte mit den Armen in der Gosse und schabte mit den Fingernägeln über den Boden – die künstlichen Nägel blieben in den Fugen zwischen den Pflastersteinen hängen.
    Zentimeter für Zentimeter kroch ich auf trockenen Boden.
    Es war da – direkt vor mir. Ich fühlte das Dunkle Buch, das etwa fünfzig Meter von der Stelle entfernt war, an der ich auf dem Pflaster scharrte, um mich vorwärtszubewegen. Vielleicht waren es nicht mal fünfzig Meter … Es war nur ein Buch. O nein! So einfach war es nicht. Es pulsierte finster und versengte die Ränder meines Bewusstseins.
    Warum verlor ich nicht die Besinnung?
    Warum endete dieser Schmerz nicht?
    Ich hatte das Gefühl zu sterben. Speichel rann mir aus dem Mund und wurde auf meinen Lippen zu Schaum. Ich hätte mich liebend gern übergeben, konnte es aber nicht. Selbst mein Magen war starr vor Schmerz.
    Ã„chzend versuchte ich, den Kopf zu heben. Ichmusste es sehen. Zwar war ich ihm schon früher nahe gekommen, hatte es aber nie gesehen, weil ich vorher immer in Ohnmacht gefallen war. Falls ich nicht das Bewusstsein verlieren sollte, hatte ich Fragen, die ich beantwortet haben wollte. Ich wusste nicht einmal, wie das Buch aussah. Wer hatte es? Was machte derjenige mit ihm? Weshalb geriet ich an unterschiedlichen Orten beinahe mit ihm in Berührung?
    Schaudernd ließ ich mich wieder auf die Knie fallen, strich mir eine sauer riechende Haarsträhne aus dem Gesicht, um besser sehen zu können.
    Der düstere, arktische Wind hatte die Straße, in der sich noch vor wenigen Momenten die Touristen getummelt hatten und fröhlich von einem Pub zum anderen gezogen waren, leergefegt. Alle Türen hatte man, im Gegensatz zu vorhin, geschlossen, die Musik war nicht mehr zu hören.
    Ich war allein.
    Allein mit ihnen.
    Der Anblick war ganz und gar nicht so, wie ich es erwartet hatte.
    Ein Bewaffneter hatte ein paar Leute – eine Touristenfamilie mit Fotoapparaten um den Hals – an eine Mauer gedrängt. Der Lauf eines halbautomatischen Revolvers funkelte im Mondlicht. Der Vater brüllte, die Mutter kreischte und versuchte, die drei kleinen Kinder an sich zu drücken.
    Â»Nein!«, schrie ich. Zumindest glaubte ich das. Ich bin nicht sicher, ob ich überhaupt einen Ton herausbekommen hatte. Der Schmerz presste meine Lungenflügel zusammen.
    Der Mann feuerte eine Salve ab und brachte sie so zum Schweigen. Er tötete das kleinste Kind zuletzt,ein zartes blondes Mädchen von vier, fünf Jahren mit großen, flehenden Augen, die mich bis zu meinem letzten Atemzug verfolgen würden. Ein Mädchen, das ich nicht retten konnte, weil ich, verdammt noch mal, nicht imstande war, mich zu rühren. Der höllische Schmerz lähmte meine bleiernen Glieder so sehr, dass ich nur auf dem Pflaster knien und Schreie ausstoßen konnte, die nur in meinem Kopf widerhallten.
    Weshalb passierte das? Wo war das Sinsar Dubh? Wieso konnte ich es nicht sehen?
    Der Mann drehte sich um, und ich sog scharf die Luft ein.
    Er hatte ein Buch unter den Arm geklemmt.
    Eine absolut nichtssagendes Buch, etwa dreihundert bis dreihundertfünfzig Seiten dick, kein Schutzumschlag – hellgrau mit roter Prägung. Ein solches abgegriffenes Buch konnte man in jedem Antiquariat in jeder Stadt finden.
    Mein Mund blieb offen stehen. Wollte man mich nur glauben machen, dass dies das eine Million alte, vom Unseelie-König geschriebene Buch der schwärzesten Magie war? Sollte das ein Scherz sein? Wie ernüchternd. Wie
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