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Im Schatten dunkler Mächte

Im Schatten dunkler Mächte

Titel: Im Schatten dunkler Mächte
Autoren: Karen Marie Moning
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absurd.
    Der Bewaffnete warf einen nachdenklichen Blick auf seinen Revolver. Dann drehte er den Kopf zu den hingestreckten Leichen und betrachtete das Blut, die Fleischstücke und Knochensplitter an der Mauer.
    Das Buch entglitt ihm. Es schien in Zeitlupe zu fallen, veränderte sich, nahm eine andere Form an, während es fiel und auf einem feuchten, schimmernden Stein landete. Als es mit einem dumpfen Laut auf dem Bürgersteig aufschlug, war es nicht mehr das unscheinbare graue Buch, sondern ein schwarzer, fast dreißig Zentimeterdicker Foliant, mit Runen geprägt und von massiven Stahlbändern mit verschlungenen Schlössern zusammengehalten. Genau so ein Buch hatte ich mir vorgestellt: uralt und unheilvoll.
    Wieder sog ich die Luft ein.
    Jetzt veränderte sich der dicke dunkle Foliant erneut, verwandelte sich in etwas Neues. Es wirbelte um die eigene Achse, zog Substanz aus dem Wind und der Dunkelheit.
    An seiner Stelle erhob sich ein … Ding  … von … grausigem Aussehen. Es war ein bewegliches … Etwas, jenseits jeder Form oder Bezeichnung: eine missgestaltete Kreatur, direkt aus dem Niemandsland des Irrsinns.
    Und es lebte.
    Mir fehlen die Worte, es zu beschreiben, weil es in unserer Welt nichts Vergleichbares gibt. Und darüber bin ich wirklich froh, denn gäbe es so etwas, dann würde unsere Welt vermutlich längst nicht mehr existieren.
    Ich kann es nur als Bestie titulieren und es dabei belassen.
    Meine Seele schauderte, als würde sie auf intuitiver Ebene Informationen erhalten – auf einer Ebene, auf der mein Körper nicht annähernd genug geschützt war. Jedenfalls nicht geschützt vor dieser Bestie.
    Der Bewaffnete sah das Etwas an, und es erwiderte seinen Blick. Plötzlich wendete er die Waffe gegen sich selbst. Ich zuckte bei dem durchdringenden Klang mehrerer Schüsse zusammen. Der Mann sank in sich zusammen, und die Waffe schlitterte über das Pflaster.
    Ein eisiger Windstoß fegte durch die Straße, und aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr.
    Eine Frau kam um die Ecke, als hätte sie jemand gerufen, und überblickte ausdruckslos die Szene, dann gingsie wie unter Drogen auf das Buch zu (eine kauernde Bestie mit ungestalten Gliedern und blutiger Schnauze), das von einer Sekunde auf die andere weder uralt noch wie eine Bestie aussah, sondern wieder die Gestalt des unscheinbaren Buches annahm.
    Â»Berühren Sie es nicht!«, schrie ich. Bei dem Gedanken überlief mich eine Gänsehaut wie tausend Nadeln.
    Die Frau blieb stehen, hob es auf, klemmte es unter den Arm und wandte sich ab.
    Ich würde gern sagen, dass sie ohne einen Blick zurück gegangen wäre. Aber das tat sie nicht. Sie spähte über die Schulter, direkt zu mir , und ihr Gesichtsausdruck raubte mir das letzte bisschen Luft.
    Das pure Böse starrte mich aus ihren Augen an, eine gerissene, bodenlose Bosheit, die mich kannte , die Dinge über mich wusste, die mir selbst verborgen geblieben waren und die ich niemals erfahren wollte. Das Böse feierte seine Existenz bei jeder Gelegenheit, die ihm das Chaos, die Zerstörung und die psychotische Raserei boten.
    Sie lächelte – ein grausiges Grinsen, bei dem Hunderte kleiner, spitzer Zähne zu sehen waren.
    Und ich hatte eine plötzliche Erleuchtung.
    Ich erinnerte mich an meine letzte Beinahebegegnung mit dem Sinsar Dubh , bei der ich das Bewusstsein verlor. Am nächsten Tag las ich in der Zeitung über einen Mann, der ganz in der Nähe dieser Begegnung seine gesamte Familie ausgelöscht hatte und anschließend gegen einen Brückenpfeiler gerast war. Alle, die interviewt wurden, sagten übereinstimmend aus, dass der Mann zu einer solchen Tat überhaupt nicht fähig gewesen sei und dass er sich in den letzten Tagen benommen habe, als wäre er nicht er selbst. Und mir fiel diese Flut von fürchterlichen Zeitungsberichten in der letzten Zeit ein,die alle denselben Tenor hatten: Wie brutal das Verbrechen auch immer gewesen war, es sah dem Täter oder der Täterin überhaupt nicht ähnlich; er oder sie würde niemals etwas so Schreckliches tun . Ich starrte die Frau an, die nicht mehr die Person war, die vor Sekunden um die Ecke gebogen war. Eine besessene Frau. Und ich verstand.
    Nicht diese Menschen hatten die fürchterlichen Verbrechen begangen.
    Die Bestie, die jetzt von der Frau Besitz ergriffen hatte, bestimmte ihr Handeln. Und es
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