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Im Schatten des Vaters

Im Schatten des Vaters

Titel: Im Schatten des Vaters
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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möchte die Küste runter nach Mexiko. Ich zahle fünfzehntausend. Interesse?
    Da sah ihn der Mann an. Gerade jemanden erledigt?, fragte er.
    Nur mein eigenes Leben, sagte Jim.
    Ich geh mal eben zum Sheriff und frag nach, dann können wir drüber reden.
    Ist das Ihr Boot?
    Nein. Aber ich kenne den Kapitän.
    Wie wär’s, wenn wir den Sheriff vergessen und auf zwanzig erhöhen?
    Der Mann nahm die Kappe ab und kratzte sich am Kopf. Vergessen wir auch die Küstenwache? Und legen in Mexiko vielleicht eine Besatzungsliste vor, auf der ein Name fehlt?
    So könnte es aussehen.
    Dann rede ich mal mit Chuck. Viel tut sich hier ja gerade nicht für uns.
    Der Mann ging in die Kajüte und blieb lange verschwunden. Jim hörte keine Stimmen und nichts. Das Boot war eine alte Krücke, verrostet und mit Kabeln zusammengehalten. Aber es würde ihn die Küste hinunterbringen. Aufwärts war die Hölle, aber nach unten kam man leicht.
    Der Mann kehrte mit Chuck zurück, der um die sechzig war und offensichtlich der Kapitän und Bootseigner, ein potthässlicher Mann mit Leberflecken auf der von dunklen Fettsträhnen umrahmten Glatze. Sein hasserfüllter Blick weckte sofort Jims Misstrauen, aber was hatte er für eine Wahl? Ihm blieb nichts anderes übrig. Er musste weg, und außer den beiden war keiner da.
    Was hast du für Ärger?, fragte Chuck.
    Jim antwortete nicht, er wartete. Schließlich sagte Chuck, Na gut. Wahrscheinlich willst du auf der Stelle weg.
    Genau.
    Wir brauchen Proviant, Sprit, Reservefilter und so Zeug. Der Motor mackt ein bisschen rum. Das wird kein Express und keine Kreuzfahrt. Aber kostet fünfundzwanzig.
    Fünfundzwanzig habe ich nicht. Ich will nicht handeln oder rumgeizen. Ich habe einfach nicht so viel.
    Na schön, sagte Chuck. Wir brauchen circa drei, vier Stunden, und zehn im Voraus. Und die anderen zehn will ich sehen, um sicherzugehen, dass du sie hast.
    Jim ging an Bord, überreichte zehntausend und zeigte die weiteren zehn. Und blieb auf dem Boot, während die beiden sich um die Versorgung kümmerten. Die würden sich nicht ohne ihn aus dem Staub machen. Neun Stunden später, am Abend, waren sie unterwegs.
     
    Ein kühler Wind war aufgekommen, und die Wellen sprühten etwas Gischt über den Bug. Allerdings herrschte klare Sicht. Vom Heck aus konnte Jim alle Lichter von Haines und einige verstreute Lichter entlang der dahinter liegenden Küste sehen sowie Gruppen von Fischerbooten, die auf ihren Einsatz warteten. Dahinter von Wasserflächen unterbrochenes Brachland, die Grenze zwischen beiden dunkel und unstet. Wenn man nachts mit dem Boot in fremden Gefilden unterwegs war, konnte man Jims Erfahrung nach beinahe alles glauben, jede Richtung, jede Tiefe barg derartige Ängste, dass man womöglich seinem Kompass und seinem Echolot misstraute, bis man auf den Felsen auflief. Jim hoffte, dass Chuck und Ned genügend Erfahrung hatten.
    Sie fuhren weiter durch die Nacht Richtung Juneau, glitten an dunklen Landschaften vorbei, die vor dem dunklen Himmel kaum auszumachen waren. Er fühlte sich fremd. Er hatte fast sein ganzes Leben in diesem Land zugebracht, aber das Land war nicht sanfter oder zugänglicher geworden in dieser langen Zeit. Es fühlte sich so feindselig an wie bei seiner Ankunft. Er hatte das Gefühl, ausgelöscht zu werden, sollte er sich dem Schlaf hingeben. Chuck stünde betrunken am Ruder, die Strömung würde sie erfassen und seitlich abdrängen, bis der Grund am Rumpf schrappte, dass sie kippen, mit Meerwasser volllaufen und ertrinken würden. Diese Gefahr existierte nun mal. Weiter draußen wären sie viel sicherer. Darüber dachte er nach, als er über Roy nachdachte. Roy warihm auch feindlich gesonnen gewesen. Er war vor Roy nicht genügend auf der Hut gewesen. Er hatte sich in seinen eigenen Problemen verloren und Roy nicht rechtzeitig als Bedrohung wahrgenommen. Er hatte sich dem Schlaf ergeben.
    Der nächste Tag brach langsam an. Eine dünne graue Linie zunächst oder vielleicht ein weniger dunkles Blau, dann zeichneten sich die Bergspitzen ab, als brächten sie sich selbst hervor, über ihnen ein schnelleres Frühlicht, das sich bald an den Rändern feurig kräuselte, und auf einmal war Weiß überall, und die orangerote Sonne schob sich scheibchenweise zwischen zwei Gipfeln empor, wuchs, wurde schwer und gelb, verband sich mit der Welt und wurde zu heiß zum Hinsehen. Alles war geblendet. Wasser, Berge und Luft waren erfüllt vom selben grellen Schein. Jim konnte keine Boote oder
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