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Im Schatten des Teebaums - Roman

Titel: Im Schatten des Teebaums - Roman
Autoren: Elizabeth Haran Sylvia Strasser Veronika Duenninger
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musst dich nicht bei mir entschuldigen«, sagte Bob. Er trat auf Noah zu und schloss ihn in die Arme. Sie waren beide verlegen, und die Umarmung währte nur kurz, doch für Noah bedeutete sie unendlich viel. Als Bob sich wieder von ihm löste, konnte Noah sehen, dass er ebenfalls bewegt war.
    »W eißt du«, sagte Bob, »in meinem Haus gibt es ein großes, sehr helles Zimmer, das sich wunderbar als Atelier eignen würde.«
    »Danke, Dad, aber es ist praktischer, mein Atelier in der Nähe zu haben.«
    »Ich kann verstehen, dass du Tantanoola nicht verlassen willst …«
    »V erlassen?« Noah hatte seinen Vater gar nicht begriffen. »Ich kann es mir nicht leisten, irgendwo anders als hier ein Haus zu mieten. Die Corcorans überlassen mir dieses Haus sogar mietfrei, solange ich die Ställe des Hotels ausmiste.«
    Ein Ausdruck der Trauer erschien auf Bobs Gesicht. Er schämte sich, dass sein Sohn gezwungen gewesen war, von der Hand in den Mund zu leben, während er manchen Leuten geholfen hatte, die völlig Fremde für ihn waren. »Mein Haus ist zu groß für mich allein, aber wenn du lieber dein eigenes Haus hättest, werde ich dir eins kaufen.«
    Noahs Augen weiteten sich. »Das wäre nicht richtig.« Er wandte sich ab, damit Bob nicht sehen konnte, wie gedemütigt er sich fühlte.
    Bob war gerührt und stolz, dass sein Sohn so unabhängig und nicht gewillt war, sich zu nehmen, was er kriegen konnte, wie so viele andere. »Ich will gern etwas für dich tun, Noah, aber ich respektiere deinen Stolz. Wenn du nicht annehmen kannst, was ich dir anbiete, betrachte es als Darlehen. Du wirst mit deinen Gemälden gutes Geld verdienen. Du wirst auf niemanden mehr angewiesen sein. Das kann ich dir versichern.«
    Noahs Miene hellte sich auf. Er musste wieder daran denken, wie stolz seine Mutter stets gewesen war. Sie hätte Bob – oder Barry, als den sie ihn kannte – nie um Hilfe gebeten. »Meinst du wirklich?«
    »Das verspreche ich dir. Wirst du mit mir nach Hause kommen, Noah? Es kann vorübergehend sein, wenn du willst, aber wir haben vieles zu besprechen.«
    Noah zögerte.
    »Es würde mich sehr glücklich machen«, sagte Bob. Er war nicht mehr der Jüngste und hatte die letzten Jahre damit verbracht, sich zu fragen, was mit seinem Vermögen geschehen sollte, wenn er einmal nicht mehr war. Jetzt hatte er einen Sohn, und er war zuversichtlich, dass Noah der richtige Mann war, weiterhin Gutes für die Gemeinschaft zu tun.
    »Na schön«, sagte Noah. Auf einmal erschien ihm die Zukunft aufregend, und er war bereit, sich auf ein Risiko einzulassen.
    »V ielleicht können wir eines Tages gemeinsam das Grab deiner Mutter besuchen, die ich sehr geliebt habe«, sagte Bob wehmütig.
    Noah lächelte. »Das würde mich freuen.«
    »Dann komm, mein Sohn. Ich werde den Wagen holen, und dann können wir deine Gemälde und Habseligkeiten aufladen.« Heftiger Regen hatte eingesetzt; der Himmel hatte sich dermaßen verdunkelt, dass es schien, als wäre die Nacht hereingebrochen.
    Wieder traten Noah Tränen in die Augen. Nicht in seinen kühnsten Träumen hatte er damit gerechnet, dass sein Leben eine solche Wendung nehmen würde. Er hatte nie das Gefühl gehabt, zu einem Menschen zu gehören oder an irgendeinem Ort zu Hause zu sein – erst recht nicht mehr, nachdem seine Mutter gestorben war. Doch nun hatte sich mit einem Schlag alles verändert.
    Bob wusste, wie Noah zumute war. Er selbst hatte viele Freunde, aber immer das Gefühl gehabt, dass das Wichtigste in seinem Leben fehlte – eine eigene Familie. Jetzt hatte er einen Sohn, der überdies ein Mann war, auf den er stolz sein konnte.
    Bob legte Noah eine Hand auf die Schulter. »Lass uns nach Hause fahren«, sagte er. Zum ersten Mal wusste er, dass es wirklich ein Zuhause für sie beide sein würde.
     
    »Ja, ich bin ’ s, Henrietta, deine lange verloren geglaubte Schwester!« Tilly stand auf der Türschwelle, einen Mantel über den Kopf geworfen, um sich vor dem Regen zu schützen, aber jetzt nahm sie ihn ab. Sie hatte sich bereits zurechtgelegt, was sie sagen würde, falls Eliza oder Katie zu Hause waren: Sie würde so tun, als wäre sie ihnen noch nie begegnet, damit die Mädchen keinen Ärger bekamen, dass sie ihre Mutter belogen hatten. »Ich habe dir vieles zu sagen, Henrietta.«
    Henrietta kniff die Augen zusammen. Sie konnte nicht glauben, was geschah.
    »Darf ich eintreten?« Es war eine höfliche Frage, doch Matildas Tonfall war alles andere als liebenswürdig oder gar
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