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Im Schatten des Teebaums - Roman

Titel: Im Schatten des Teebaums - Roman
Autoren: Elizabeth Haran Sylvia Strasser Veronika Duenninger
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riss die Augen auf. Eine klebrige, verklumpte Masse hob sich rot glänzend von dem mit Raureif überzogenen Erdboden ab. Gleich daneben lag ein zerfetztes, blutiges Schaffell.
    Mannie stand da wie versteinert, den Blick unverwandt auf die Überreste des Tieres geheftet. Im ersten Moment dachte er, ein streunender Hund hätte ein Lamm gerissen. Da Jock Milligan jeden Penny mindestens zweimal umdrehte, ehe er ihn ausgab, würde er schrecklich wütend sein über den Verlust des Tieres. Schaudernd betrachtete Mannie den Kadaver. Erst jetzt bemerkte er, dass Kopf und Schwanz fehlten. Das war seltsam. Abermals schaute er sich suchend nach der Schafherde um und lauschte, ob irgendwo ein Blöken zu hören war. Doch da war nichts. Die Stille war noch immer so undurchdringlich wie der Nebel. Eine unbestimmte Furcht erfasste Mannie und wühlte wie mit eisigen Fingern in seinen Eingeweiden.
    Unschlüssig stand er da und überlegte, was er tun sollte. Da vernahm er unvermittelt ein tiefes, drohendes Knurren. Nie zuvor hatte er ein ähnliches Geräusch gehört. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Das war kein Hund! Wieder verwünschte sich Mannie, dass er seine Winchester zu Hause gelassen hatte, und fragte sich, ob dieser Fehler ihn möglicherweise das Leben kosten würde.
    Irgendwo ganz in der Nähe lauerte eine unbekannte Gefahr. Mannie konnte es spüren. Seine Nackenhaare stellten sich auf, so fühlbar knisterte die Luft vor Anspannung. Er drehte sich im Kreis, suchte die Umgebung nach dem wilden Tier ab, das Jocks Schaf gerissen hatte. Er fand einen Stock und hob ihn auf, damit er wenigstens eine behelfsmäßige Waffe hatte, mit der er sich im Notfall verteidigen konnte. Vorsichtig, den Stock in der erhobenen Hand, ging Mannie weiter. Plötzlich sah er vor sich im Nebel die Umrisse eines ausgewachsenen Schafes. Irgendetwas daran kam ihm merkwürdig vor …
    Im nächsten Augenblick wusste Mannie, was es war. Nacktes Entsetzen erfasste ihn. Das Schaf schwebte ein Stück über dem Boden scheinbar in der Luft. Eine Blutlache hatte sich unter dem Tier gebildet. Das Blut dampfte, folglich war es noch warm.
    Mannie starrte angestrengt in die Nebelschwaden, und mit einem Mal wurde ihm klar, dass das Schaf im Maul eines Raubtiers hing, das ihm seine Zähne in den Rücken gegraben hatte. Auch wenn Mannie nur die mächtigen, blutverschmierten Kiefer und die starren Augen der Bestie erkennen konnte, wusste er, dass er nie zuvor ein solches Tier gesehen hatte.
    Abermals stieß es ein drohendes, Furcht einflößendes Knurren aus. Mannie war sicher, dass sein letztes Stündlein geschlagen hatte. Vor seinem geistigen Auge lief in rasender Geschwindigkeit sein ganzes Leben ab – ein Leben, auf das er alles andere als stolz sein konnte. Zwar wurde Mannie respektiert, weil er ein harter Bursche war, aber er hatte keine Familie, die ihn liebte und achtete, und das war allein seine Schuld. Keine Frau war bereit, mit einem Trinker und Raufbold eine Familie zu gründen. Und da Mannie sich nie hatte ändern wollen, war ihm klar, dass er einsam und allein sterben würde.
    Vielleicht jetzt und hier …
    All seine Instinkte schrien Mannie zu, die Flucht zu ergreifen, wenn ihm sein Leben lieb war, doch die namenlose Angst, die ihn gepackt hatte, lähmte ihn. Er wollte den Stock in seiner Hand schwingen, wollte brüllen, um die Bestie zu verjagen, aber er stand nur da, unfähig, sich zu rühren oder einen Laut von sich zu geben. Er starrte in die kalten Raubtieraugen. Ein Geruch, wie er ihn nie zuvor wahrgenommen hatte, umfing ihn. Es war der Geruch des Todes.
    Plötzlich hörte er eiliges Hufgetrappel. Ehe er wusste, wie ihm geschah, wurde er von ein paar Schafen, die in blinder Panik flohen, umgerissen und zu Boden geworfen. Hart stürzte er auf die gefrorene Erde und blieb sekundenlang benommen liegen. Als er sich mühsam aufrappelte, war das Raubtier verschwunden.
    Mannie schaute sich ängstlich nach allen Seiten um; dann rannte er los, so schnell seine Beine ihn trugen. Er lief zu seiner Hütte zurück, schnappte sich sein Gewehr, lud es durch und machte sich gleich wieder auf die Suche. Am ganzen Körper zitternd, den Finger nervös am Abzug, kehrte er zu der Stelle zurück, wo er das fremdartige Raubtier gesehen hatte. Doch alles, was er fand, waren weitere gerissene Schafe. Die Bestie blieb spurlos verschwunden.
    Schließlich gab Mannie auf. Er brauchte jetzt dringend einen Drink und beschloss, in die Bar zu gehen. Die hatte um diese Zeit zwar
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