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Im Schatten des Teebaums - Roman

Titel: Im Schatten des Teebaums - Roman
Autoren: Elizabeth Haran Sylvia Strasser Veronika Duenninger
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Prolog
     
     

     
     
     
     
     
    Mannie Boyd trat aus seiner Hütte hinaus in den grauen Morgennebel. Er schlurfte zu einem niedrigen Busch und erleichterte sich, wobei er ausgiebig gähnte und dann träge beobachtete, wie der Dunst seines Atems vom Nebel geschluckt wurde. Der Morgen brach an über Tantanoola, einem kleinen, verschlafenen Städtchen im Südosten von South Australia, doch die Sonne schaffte es nicht, die Nebeldecke zu durchbrechen, die über den Schaf- und Getreidefarmen lag, von denen Tantanoola umschlossen wurde.
    Mannies Körper war verspannt, er fühlte sich älter als die vierundfünfzig Jahre, die er auf dem Buckel hatte. Er war Junggeselle und trank gerne einen über den Durst, und wenn er genug hatte, fing er meistens Streit an. Diese Lebensweise rächte sich nun: Sein Körper protestierte mit jedem Tag heftiger, und Mannie wurde immer griesgrämiger. Er lebte seit fast sechs Jahren in der Gegend und verdiente sich seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Kaninchenfellen – nicht gerade die angesehenste Arbeit der Welt. Mannie, der von der Hand in den Mund lebte, war überzeugt, dass das Leben ihn schlecht behandelte und ihm etwas schuldig sei.
    Wie jeden Morgen schickte er sich auch an diesem Tag an, seine Fallen auf den umliegenden Farmen zu überprüfen. Er hatte die Farmer nie um Erlaubnis gefragt, ob er seine Kaninchenfallen auf ihrem Land aufstellen durfte, denn er war der Ansicht, dass er ihnen einen Gefallen tat, wenn er ihnen die Schädlinge vom Hals schaffte, die ihren Schafen das Gras wegfraßen. Tatsächlich hatte noch kein Farmer Einwände gegen Mannies Fallen erhoben.
    »Komm schon, Rastus, beweg dich, du nichtsnutziger Sack voll Flöhe«, rief Mannie seinen Hund.
    Der Vierbeiner kam aus einer Kiste gekrochen, die auf der rückseitigen Veranda stand und ihm als Unterschlupf diente, und trottete widerstrebend zu seinem Herrchen. Auch der Colliemischling war nicht mehr der Jüngste – wie Mannie schien der Hund unter steifen Gelenken zu leiden, vor allem an einem feuchten Morgen wie diesem. Rastus folgte Mannie in einigem Abstand. Er war vorsichtig geworden, weil er wusste, dass sein übellauniger Besitzer gern einmal nach ihm trat.
    Mannie machte sich auf den Weg zu Jock Milligans Farm. Fröstelnd und missmutig vor sich hin schimpfend, stülpte er sich seinen Wollhut auf und zog ihn bis über die Ohren. In der tiefen Stille waren nur Mannies mürrisches Gebrummel und das Knirschen seiner Schritte auf dem gefrorenen Boden zu hören.
    Es war August, Winter auf der Südhalbkugel. Zwei Wochen zuvor waren die ersten Lämmer geboren worden. Eigentlich hätte bereits ein Hauch von Frühling in der Luft liegen sollen, doch morgens war es immer noch winterlich kalt und ungemütlich. Mannie hoffte, dass ein paar Kaninchen in seine Fallen gegangen waren, damit er die Felle verkaufen konnte. In letzter Zeit hatte er im Hinterzimmer der Bar öfter Karten gespielt und ziemlich viel Geld verloren.
    Griesgrämig, den Blick auf den Weg gerichtet, stapfte Mannie über den harten Boden. Nach einer Weile lief Rastus in weitem Bogen an ihm vorbei und verschwand im Nebel. Mannie achtete nicht weiter auf den Hund. Er schlug bibbernd den Kragen seiner Jacke hoch. Ein kalter Schauer rieselte ihm über den Rücken, und plötzlich überkam ihn ein merkwürdiges, beängstigendes Gefühl, ähnlich einer schrecklichen Vorahnung. Abrupt blieb er stehen, starrte mit zusammengekniffenen Augen in die wogenden Nebelschwaden und lauschte. Es war still – viel zu still, wie ihm jetzt erst auffiel. Nicht einmal das Blöken von Milligans Schafen war zu hören. Beklemmendes Schweigen lag über dem Land. Hatte Jock Milligan seine Herde auf eine andere, weiter entfernte Weide getrieben?
    In diesem Moment hörte er Rastus erschrocken aufjaulen. Sekunden später hetzte der Hund mit angelegten Ohren an ihm vorbei nach Hause zurück, so schnell seine Beine ihn trugen. Mannie blickte ihm verdutzt nach. Er pfiff, doch Rastus kam nicht zurück. Sein sonderbares Verhalten beunruhigte Mannie noch mehr.
    Irgendetwas stimmte nicht.
    Langsam ging er weiter. Furcht stieg in ihm auf. Hätte er doch seine Winchester-Büchse mitgenommen! Angestrengt starrte Mannie in den Nebel, ob er irgendwo Schafe ausmachen konnte. Aber da war nichts. Er lauschte, doch kein Laut war zu hören. Die unheimliche Stille lastete so schwer auf dem Land, dass sie beinahe mit Händen zu greifen war.
    Plötzlich blieb Mannie wie angewurzelt stehen und
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