Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Schatten des Teebaums - Roman

Titel: Im Schatten des Teebaums - Roman
Autoren: Elizabeth Haran Sylvia Strasser Veronika Duenninger
Vom Netzwerk:
Großvater hatte eines der ersten Häuser, die damals gebaut worden waren, für zwei Pfund und zehn Shilling erstanden. »V or Jahren ist eine Tigerin mit ihrem Jungen aus dem Käfigwagen eines Zirkus ausgebrochen, der zwischen Mount Graham und dem Overland Inn Station gemacht hatte, in einer Gegend namens Gran-Gran.«
    »W ann genau war das?«, fragte Mannie, dem das Raubtier, das er gesehen hatte, nicht mehr aus dem Kopf ging.
    »Das war 1883 . Obwohl sofort die ganze Gegend abgesucht wurde, blieben die Raubkatzen wie vom Erdboden verschluckt. Damals war alles noch mit undurchdringlichem Gestrüpp überwuchert, was die Suche natürlich erschwerte. Der Zirkus musste weiter, weil er am nächsten Abend eine Vorstellung in Mount Gambier geben sollte, also wurde die Suche nach ein paar Stunden ergebnislos abgebrochen und der Inhaber des Overland Inn über den Vorfall informiert. Zwei Jahre später berichtete ein angesehener und glaubwürdiger Einwohner von Tantanoola, er habe eines Morgens bei einem Spaziergang über sein Grundstück einen Tiger gesehen. Danach hörte man zehn Jahre nichts mehr, niemand bekam die Raubkatzen noch einmal zu Gesicht. In den letzten Jahren aber will der eine oder andere wieder einen Tiger gesehen haben, auch die Zeitungen haben darüber berichtet – nicht nur hier in South Australia, auch in anderen Staaten.«
    »Die Tigerin von damals kann es nicht gewesen sein, die ist bestimmt längst tot«, warf Ryan ein. »Es ist siebzehn Jahre her, dass sie mit ihrem Jungen aus dem Käfigwagen ausgebrochen ist.«
    Ryan hatte die Geschichten von den Begegnungen mit einem Tiger nie so richtig geglaubt, das wusste Mary nur zu gut. »Ja, da magst du recht haben, aber ihr Junges könnte schon noch am Leben sein. Schließlich können Tiger zwanzig Jahre alt werden, hab ich mal gelesen. Wer weiß – vielleicht ist auch schon wieder eine andere Raubkatze aus einem Zirkus entwischt. Wenn es einmal passiert, kann es auch ein zweites Mal passieren.«
    Mannies Augen wurden schmal. War das Tier, das er gesehen hatte, ein Tiger gewesen? Er wusste es nicht, aber möglich wäre es. »W ir müssen eine Suchmannschaft zusammenstellen, die Bestie aufstöbern und sie töten, bevor sie jemanden angreift«, sagte er mit zittriger Stimme.
    »Das ist zwecklos, falls es tatsächlich ein Tiger oder eine andere große Raubkatze war«, sagte Mary. »Im Laufe der Jahre hat man die Gegend unzählige Male nach dem ursprünglichen Tiger von Tantanoola abgesucht, aber nie eine Spur von ihm gefunden.«
    »Könnte das Tier, das du gesehen hast, nicht doch ein streunender Hund gewesen sein?«, fragte Ryan noch einmal. Er konnte nicht glauben, dass sich ein Tiger in dieser Gegend aufhalten sollte.
    »Ich sag dir doch, das war kein Hund!«, fuhr Mannie auf. Es machte ihn wütend, dass man ihm nicht glaubte. »Ein Hund kann kein ausgewachsenes Schaf im Maul herumschleppen! Es war ein riesiges, blutrünstiges Biest! Eine Bestie, wie ich in meinem ganzen Leben noch keine gesehen hab und hoffentlich auch nie wieder sehen werde!«
    »Aber es war doch dichter Nebel, man konnte kaum die Hand vor Augen sehen«, gab Ryan zu bedenken.
    »Ich weiß, was ich gesehen habe!«, beharrte Mannie. »Hättest du die Überreste des Schafes gesehen, würdest du anders darüber denken.« Er schauderte bei der Erinnerung an das blutverschmierte, zerfetzte Fell und bei dem Gedanken daran, dass er selbst womöglich nur um Haaresbreite dem Tod entronnen war. »Ich werde meine Fallen jedenfalls erst wieder kontrollieren, wenn der Nebel sich verzogen hat.«
    »Jemand sollte Jock Milligan warnen und ihm sagen, was mit seinen Schafen passiert ist«, meinte Ryan.
    »Also, ich ganz bestimmt nicht«, versetzte Mannie. »Ich hab keine Lust auf eine zweite Begegnung mit der Bestie. Eins steht jedenfalls fest: Ohne mein Gewehr werde ich mein Haus nicht mehr verlassen!« Er schlug mit der flachen Hand auf die Theke, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, rutschte vom Hocker, nickte Ryan und Mary zu und verließ das Lokal.
    »Ob er tatsächlich einen Tiger gesehen hat?«, wandte Ryan sich an seine Frau, als die Tür hinter Mannie zugefallen war. »Ich kann das nicht glauben.«
    Mary zuckte die Achseln. »Das Tigerjunge von damals wäre inzwischen ziemlich alt, falls es überhaupt noch am Leben ist, aber dass sich ein zweiter Tiger hier in der Gegend herumtreibt, ist doch sehr unwahrscheinlich. Ich glaube eher, dass Mannie einen großen Hund gesehen hat, oder einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher