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Im Schatten des Teebaums - Roman

Titel: Im Schatten des Teebaums - Roman
Autoren: Elizabeth Haran Sylvia Strasser Veronika Duenninger
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bescheiden. Allein schon Henriettas Gesicht wiederzusehen löste die verschiedensten Gefühle bei ihr aus, darunter Wut und Verachtung, doch zu ihrem Erstaunen verspürte sie zugleich eine Willenskraft und Entschlossenheit, mit der sie nicht gerechnet hatte.
    Henrietta hingegen war einen Augenblick lang völlig verblüfft; dann aber stieg Panik in ihr auf. Richard konnte jeden Augenblick nach Hause kommen, und Katie ebenfalls. Und was noch schlimmer war – Eliza war im Haus, und Henrietta wollte auf gar keinen Fall, dass sie Matilda begegnete und Fragen stellte.
    Als Henrietta schwieg, drängte Tilly sich an ihr vorbei. Von der Diele aus konnte sie ins Ess- und Wohnzimmer blicken. Es war das Zuhause der Familie gewesen, als Matilda aufgewachsen war; sie sah, dass Henrietta und Richard ein paar Möbelstücke von damals behalten hatten: das schwere Eichenbüfett, das ihre Großmutter aus England mitgebracht hatte, die Flurgarderobe aus Walnussholz, die Standuhr in der Diele und den Bücherschrank aus massivem Mahagoniholz im Wohnzimmer. Und sie erkannte die chinesischen Lieblingsvasen ihrer Mutter.
    »Ist das Whiskey, was ich da an dir rieche?«, fragte Henrietta, als Tilly an ihr vorbeigegangen war.
    »Ist das Sherry, was ich da an dir rieche?«, gab Tilly zurück.
    Die beiden Frauen starrten einander an. Tilly sah, dass der Blick ihrer Schwester zur vernarbten Seite ihres Gesichts wanderte, doch sie zwang sich, nicht mit der Wimper zu zucken.
    »W as willst du?«, fragte Henrietta dann von oben herab. Sie war aschfahl geworden. Matildas Narben erinnerten sie an den Unfall und an die Rolle, die sie dabei gespielt hatte.
    »Das ist ja eine schöne Begrüßung«, erwiderte Tilly sarkastisch.
    »Du hast mich zwanzig Jahre lang ignoriert, Matilda. Hast du jetzt etwa erwartet, dass ich für dich den roten Teppich ausrolle?«
    »W ir wissen doch beide, warum ich dich ignoriert habe, Henrietta.«
    Eliza, die noch immer in ihrem Zimmer war, hörte Stimmen aus der Diele. Sie glaubte, eine davon als die Tillys zu erkennen. Aber das war doch nicht möglich …!
    »Komm endlich zur Sache, Matilda. Was willst du?«, fragte Henrietta frostig.
    Tilly fiel auf, dass ihre Schwester immer wieder nervös die Diele entlangschaute. Tilly glaubte zu wissen warum: Henrietta hatte Angst, Richard könnte sie gehört haben. Doch auch Tilly hoffte, dass Richard nicht in Hörweite war. Sie musste ihrer Schwester einige Dinge unter vier Augen sagen, und ihre alte Liebe Richard wiederzusehen hätte Tillys Verhängnis sein können.
    »W ir sollten die Diskussion lieber in der Bibliothek führen«, sagte Tilly und ging voran.
    Panik wallte in Henrietta auf. »Es gibt nichts zu diskutieren, Matilda. Du solltest wieder gehen.« Doch Tilly stand schon in der Bibliothek, und ihr blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.
    »Kommt gar nicht in Frage«, sagte Tilly, während sie die Tür hinter ihnen schloss. Im Gegensatz zu Henrietta hatte sie inzwischen eine eiserne Entschlossenheit entwickelt, und die Möbel in dem alten Zuhause zu sehen, das ihres hätte sein sollen, machte Tilly nur noch wütender. Ihr Vater hatte damals verfügt, dass diejenige von ihnen, die zuerst heiratete, in Sunningdale wohnen sollte, da er und seine Frau ihren Lebensabend auf einem kleineren Anwesen verbringen wollten, das für sie leichter zu bewirtschaften war. Da Matilda die Ältere war, schien es wahrscheinlich, dass sie Sunningdale übernahm. Tatsächlich hatte Richard sie am Abend vor dem Unfall gebeten, ihn zu heiraten, und beide hatten vorgehabt, bei einem Familienbarbecue am darauf folgenden Wochenende ihre Verlobung bekannt zu geben. Richard hatte ein Jahr zuvor sein erstes Unternehmen gekauft, eine kleine Wagenbaufirma, die sehr gut lief, sodass sie vorgehabt hatten, bald zu heiraten. Tilly hatte Henrietta während des schicksalhaften Einkaufsausflugs im Vertrauen von Richards Heiratsantrag erzählt, unter der Bedingung, dass sie es noch bis zum Wochenende für sich behielt. Erst das hatte den Streit zwischen den Schwestern ausgelöst. Matilda hatte keine Ahnung gehabt, dass Henrietta in Richard verliebt sein könnte und dass sie insgeheim sogar vorgehabt hatte, ihre Romanze mit ihm zu zerstören.
    »Du bist nicht einmal zu Mutters oder Vaters Beerdigung nach Hause gekommen, Matilda. Was also sollten wir jetzt zu besprechen haben?«, stieß Henrietta hervor. »Du musst doch von ihrem Tod gehört oder in der Zeitung gelesen haben.«
    Das hatte Matilda, doch sie
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