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Im Schatten des Elefanten

Im Schatten des Elefanten

Titel: Im Schatten des Elefanten
Autoren: Elio Vittorini
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auf dem Tisch herum und fahrt mit den Händen ärgerlich auf dem blanken Holz herum.
    »Siehst du nicht, daß du ihn ärgerst?« schreit meine Mutter den Gatten an.
    Und der Mann meiner Mutter stöhnt. »Hört Ihr sie? Kaum klappt etwas nicht, – schon ist es meine Schuld.«
    Er hört auf, die Tischdecke fortzuschubsen, hat das ganze Tischende zwischen dem Gast und sich, zu beiden Seiten des Großvaters, freigemacht, und er packt wieder die Strohflasche am Hals. »Ich sollte Euch einschenken«, stöhnt er, »und Ihr laßt mich nicht mehr.«
    Er fleht, der Gast möge ihm noch Gesellschaf leisten. »Also los«, sagt er zu ihm. Tatsächlich will er bis auf den Grund. Aber gerade deshalb will er sichergehen, daß der ihm auch folge, mit dem er den Abstieg angetreten. Ob das wohl gruseln macht, – alleine zu irren in den Labyrinthen des Weines, – dort, wo er tief ist? »Also los«, sagt er. Und aus der Strohflasche schüttet er – auf die kleine Hand des Gastes, die das Glas noch verdeckt.
    So geht Wein auf das Holz des Tisches verschüttet. »Ja, siehst du?« schreit meine Mutter. »Ja, siehst du?«
    Der Gast betrachtet unterdessen den Großvater, der mit seinen tastenden Händen wieder an die Maronen gegangen ist und Maronen schält, Maronen in seinen Mund steckt.

    20

    Er sagt zu meiner Mutter:
    »Habt Ihr beobachtet, wie sie sich verhalten, wenn man ihnen nicht höflich begegnet?«
    Meine Mutter hat sie freilich auch darin beobachtet. Sie sagt, der Großvater habe dann einfach das sein lassen, was er gerade trieb, und ungefähr zehn Minuten geschmollt – sodann weitergemacht. »Ach!« sagt der Gast. »Man könnte meinen, daß sie trübsinnig sind, – so wenig regen sie sich auf und so wenig Gepolter machen sie. Im Innern dagegen haben sie einen Frohsinn, der durch nichts ernstlich getrübt werden kann.«
    Meine Mutter sagt, daß sie es eben durch ihren Frohsinn niemals nötig haben, sich aufzuregen und Reden zu halten.
    Und der Gast sagt:
    »Denn dieses Gemüt, das ihnen innewohnt. erfüllt sie bei seiner Munterkeit stets mit seiner Bewegung – so, als wäre es ein Bächlein in ihnen – und mit seinem eigenen Gemurmel.« Abschließend sagt er, daß die Elefanten lustig sind. »Ja, ausgesprochen lustig sind sie.«
    Und meine Mutter sagt, daß sie Heiterkeit auch bei den anderen hervorrufen – sagt, daß zu Großvaters guten Zeiten das Haus voll singender Kanarienvögel zu sein schien, wenn der Großvater heimgekommen war, dasaß und seine Zeitung studierte. »Das macht ihre Heiterkeit«, sagt der Gast. »Sie stifen halt Heiterkeit. Sie pfeifen nicht einmal, machen dafür keinen Finger krumm und stifen sie dennoch, wenn man sie bloß beobachtet.« Er sagt, daß es deshalb von seiner Kindheit an immer sein Traum war, den Beschwörer spielen zu können.
    »Den Beschwörer?« ruf meine Mutter aus. Vielleicht ist er jetzt richtig dabei zu erzählen, was er vorhatte. Unsere Kleinen spitzen die Ohren. Ob das seine Geschichte ist?
    Er wollte also den Beschwörer spielen, »Wißt Ihr«, sagt er. »Einen, der mit ihnen spricht und mit dem sie ihrerseits sprechen. Man spricht doch so selten auf dieser Welt. Man spricht nie. Und ich wollte immer hinter das Geheimnis kommen und die Zungen ein wenig lösen.«
    »Nennt Ihr das einen Beschwörer?«
    »Dies und anderes. Ich war ein kleiner Junge, als ich sah, daß man mit niemandem auf der Welt Freund werden kann. Ich suchte und versuchte, – es gelang mir nie, und dann dachte ich, daß ich zuerst einmal lernen müsse, sie zu beschwören.« »Sie beschwören – auf welche Weise?«
    »Auf die eine oder andre. Auch daran dachte ich. Daß es gewiß deren viele gibt und daß ich mir eine aussuchen müsse. Aber ich wußte, daß die Beschwörer im allgemeinen irgendwelche Instrumente spielen, und ich beschloß, die Beschwörung auch meinerseits auf einem Instrument zu vollbringen. Nur mußte man noch die Musik finden.«
    »Habt Ihr sie gefunden, die Musik?«
    »Das war gerade das schwierigste. Die Kunst des Beschwörens hängt vom Motiv ab, es soll besonders geartet und nicht etwa das erste beste sein, und Beschwörenlernen bedeutet nichts anderes, als das Motiv suchen. Ihr wißt schon von den Schlangenbeschwörern. Sie haben ein Motiv für die mit den Klappern und ein Motiv für die mit den Brillen, – für jede Sorte eines, – Ihr wißt das schon.« »Für wen habt Ihr eines suchen wollen?«
    »Ei, für die Elefanten. Das heißt, in Wahrheit, ich wußte es nicht. Ich machte
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