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Im Schatten des Elefanten

Im Schatten des Elefanten

Titel: Im Schatten des Elefanten
Autoren: Elio Vittorini
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mich auf die Suche danach, es mußte besonders geartet, mußte für eine bestimmte Sorte und nicht für eine andere sein, und dennoch wußte ich nicht, für welche Sorte ich es nun suchte.« »Na, und dann?«
    »Dann habe ich gesucht. Ich war ein kleiner Junge, und ich holte meine Querpfeife heraus, – suchte. Und ich war ein Jüngling, zog mich in die Einsamkeit zurück, setzte mich auf einen Stein, und ich spielte und suchte.«
    »Auch als Ihr verheiratet wäret, habt Ihr weiter danach gesucht?«
    »Auch. Daheim bei meiner Frau konnte ich nicht. Übrigens suchte ich es auch für meine Frau selbst. Nachts, wenn meine Frau kaum eingeschlafen war, ging ich in die Abgeschiedenheit, und da legte ich auf meiner Querpfeife los, suchte mein Motiv.« »Ihr habt es Euer ganzes Leben lang gesucht.« »Mein ganzes Leben lang. Auf den Straßen, wo ich am Asphaltieren war, kam die Mittagszeit heran, und – husch, husch – aß ich zuerst, dann ging ich mit meiner Pfeife einen Augenblick beiseite, auf die Suche.« »Wie konntet Ihr es finden, wenn Ihr es dort suchtet, wo niemand war? Diejenigen, welche die Schlangen beschwören, suchen es, wenn sie die Schlangen vor sich haben …«
    »Es ist durchaus nicht gesagt, daß es immer so sein muß. Es genügt, daß man sich darüber Gedanken macht, wie die Dinge sind, wie man sie erlebt hat, und man kann freilich suchen, man findet dann schließlich immer.« »Indessen habt Ihr es nicht gefunden?«
    »Wieso nicht? Eines Tages ist’s gekommen, und sofort hatte ich das Gefühl, daß es nun da war. Aber ich wollte vorsichtig sein. Ich fing an, es für mich zu wiederholen, – um es ja nicht zu vergessen.«
    »Und habt Ihr es an jemandem ausprobiert?« »Irgendeinmal hätte ich es ausprobiert. Das wichtige war, daß ich es nun hatte. Von diesem Moment an habe ich mich nur noch darum gesorgt, wie ich es vervollkommnen könnte. Meine alte Gewohnheithabe ich beibehalten und mich jeden Tag, manchmal frühmorgens, manchmal gegen Abend, in die Einsamkeit zurückgezogen; und nun besitze ich es, als wäre es ein Diamant. Wunder kann es vollbringen.« »Welch sonderbare Geschichte!« sagt meine Mutter. »Ist das nun«, fragt sie ihn, »das Beschwörungsmotiv für die Elefanten?«
    Der Mann nimmt sein volles Glas in die Hand. Lacht und trinkt es aus. Er hat zuvor behauptet, nicht gewußt zu haben, für wen er sein Motiv suchte. Jetzt antwortet er meiner Mutter: »Aber ja, Signora. Es ist das für die Elefanten.«

    2

    Man muß sich fragen, was sein Lächeln in diesem Augenblick bedeutet.
    Ist es noch dasselbe wie zuvor? Ein Lächeln, welches zugleich Ironie und Entzücken, Frage und Befriedigung bedeuten mag? Oder bedeutet es aber Verblendung?
    Er neigt die Strohflasche, sucht den Wein darin, und er schenkt seinem Gefährten etwas ein, dann sich selbst. Aber er trinkt wieder nicht, läßt wieder die Hand auf den Rand des Glases sinken. Als wolle er so zu eigenem Zwecke seinen Wein in gewissem Sinne verzaubern, bevor er ihn trinkt.
    »Ich kenne sie nun seit einiger Zeit«, sagt er. »In ihrer Kraf und Zahmheit, Geduld, Beherztheit und in ihrem Frohsinn, ihrer Heiterkeit – und habe es doch nicht gewußt.
    Ach!« sagt er zu uns. »Ich verstand nicht, warum ich mich gerne so stillvergnügt etwa einem Arbeitskameraden gesellte oder einem Reisenden im Zug oder einem jeden, der nichts redete, oder einem jungen Burschen, einem Bettler sogar, – und die Sache war die, daß ich mich gerne einem Elefanten geselle.«
    Er wendet sich an meine Mutter. »Einen Elefanten meint Ihr doch?« Er selber bestätigt es sich, die Sache ist die, daß er sich gerne den Elefanten gesellt, und das Motiv, das er sein ganzes Leben lang vorbereitet hat, er hat es vorbereitet für sie, für »den Herrn hier«, für die Elefanten.
    Seine andere Hand kommt hoch. Sie hat noch einmal in den Innentaschen herumgesucht, und diesmal kommt sie auf den Tisch mit einer Rohrflöte. »Hier«, sagt er.
    Aber nicht, warum er die Flöte zeigt. So weit ist er noch nicht, und sein Lächeln ist unverändert. »Wir sind so vieles«, sagt er nun. »Alles, was ihr wollt. Tiger und kleine Hunde, Schweinchen, Flöhchen. Wir sind Berge, wir sind Flüsse, wir sind Gnome, nicht größer als Pilze. Aber wir sind auch dies, – und die Dame hier kann es bezeugen. Auch Elefanten. Und es spielt keine Rolle, ob große oder kleine. Auch Elefanten.«
    Er hebt die Hand hoch, mit der Flöte. »Seht Ihr hier?« Nun ändert sich sein Lächeln. Oh, – und ob
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