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Im Schatten der Pineta

Im Schatten der Pineta

Titel: Im Schatten der Pineta
Autoren: Marco Malvaldi
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ohne dass jemand seine Angaben hätte überprüfen können. Dann kam mir in den Sinn, dass auch jemand anderes eine SMS von Alinas Handy aus hätte versenden können, falls er Zugang dazu hatte und seinen Daumen gebrauchen konnte. Ferner fiel mir ein, dass der ›Junge‹, mit dem Alina eine feste Beziehung hatte und über den sie nicht einmal mit ihrer besten Freundin sprechen wollte, möglicherweise nur in unserer Vorstellung ein Junge war und dass wir nicht im Traum daran gedacht hätten, dass es sich auch um einen fünfzigjährigen Mann handeln könnte. Kurz und gut, mir kam der Gedanke, dass der Dottore mit uns allen eine Art Fünfer-Briscola gespielt haben könnte, indem er uns über den Todeszeitpunkt angelogen hat, genauso wie Bruno Messa, dem er in Alinas Namen eine SMS geschickt hatte, um ihn zum Abendessen einzuladen.«
    »Genau«, sagte Aldo, als wollte er sagen: Mach weiter, wir sind ganz Ohr.
    »Dieses Täuschungsmanöver konnte deswegen so exzellent funktionieren, weil Alina zuvor mit einer Freundin telefoniert hatte, der sie gesagt hatte, sie gehe mit ihrem geheimnisvollen Freund zum Abendessen aus. Und natürlich hat sie ein Geheimnis aus ihm gemacht, schließlich ist es für ein junges Mädchen nicht so einfach, preiszugeben, dass sie mit einem Fünfzigjährigen ins Bett geht, noch dazu mit einem Freund der Familie.« Massimo drückte die Zigarette aus und schenkte sich Eistee nach.
    Einen Moment lang betrachtete er sein Glas, das wegen der kalten Flüssigkeit beschlug, ehe er einen äußerst zufriedenen Schluck davon nahm.
    »Als Nächstes habe ich den Ablauf des fraglichen Abends rekonstruiert: Alina geht zu Carli nach Hause, dessen Frau zur Wellness nach Saturnia gefahren ist. Sie verbringt den späten Nachmittag bei Carli und schlüpft in die Pantoletten seiner Frau, wahrscheinlich nachdem sie geduscht hat. Dann ruft sie ihre Freundin an, und dann … dann passiert, was passiert ist. Es ist ungefähr acht Uhr. Der Dottore schickt von Alinas Handy aus und in ihrem Namen eine SMS an Bruno Messa, um ihn zum Abendessen einzuladen. Dann zieht er sich an und verfrachtet Alinas Leiche in den Kofferraum ihres Wagens. Danach fährt er mit diesem Wagen – er hat genau den gleichen, sogar die Farbe stimmt überein – zu dem Fest der Marchesi Calvelli. Auf diese Weise verschafft er sich ein wasserdichtes Alibi; an die hundert Leute werden ihn an dem illustren Ort über einen längeren Zeitraum sehen. Es ist praktisch unmöglich, dass jemandem auffällt, dass er nicht mit seinem eigenen Auto gekommen ist. Er will auch nicht Gefahr laufen, dass in der Nähe des Parkplatzes, an dem er später die Leiche versteckt, jemand seinen Wagen bemerkt und sich das Nummernschild notiert. Im Übrigen ist der Dottore im Kreis der Faulenzer und Segeljachtbesitzer, in dem seine Frau verkehrt, als Exzentriker bekannt, sodass sich niemand wundert, wenn er in einem mickrigen Clio statt dem Jaguar zu dieser exklusiven Party erscheint. Hätte er den Wagen nicht später wechseln können? Ich weiß es nicht, vielleicht hatte er Angst, ihn könnte jemand dabei beobachten. Abends um neun war er hingegen allein zu Hause – sein Sohn war ausgegangen, die Haushälterin hatte frei, und der Garten der Villa wird durch üppige Büsche vor fremden Blicken abgeschirmt. Also, kurz nach vier verlässt er die Party und fährt zum Parkplatz; er hievt das Mädchen in den Müllcontainer und lässt das Auto daneben stehen. Ihm wäre ohnehin nichts anderes übrig geblieben, weil sich die Räder in den Schlamm gegraben hatten, sodass er ihn nicht mehr ohne fremde Hilfe hätte befreien können. Ich weiß auch nicht, ob er vorhatte, den Wagen woanders abzustellen. Wie auch immer, rein technisch betrachtet ist es der perfekte Mord: Er selbst würde am nächsten Tag in seinem Bericht die Tatzeit bestimmen – in seiner Version lag sie vier Stunden nach dem tatsächlichen Zeitpunkt, und er wusste, dass die Ermittler es ihm ungefragt abkaufen würden. Als Gerichtsmediziner würde er niemals Gefahr laufen, auch nur in die Nähe des Tatverdächtigenkreises zu geraten.«
    »Also wirklich …« Pilade, der sich bequem auf einem Stuhl fläzte, die Hose bis zum Brustbein hochgezogen, den gewaltigen Bauch zur Schau gestellt, schaltete sich in die Wiedergabe der Ereignisse ein wie ein routinierter Schauspieler, der im richtigen Moment auftritt, um dem Erzähler angemessen dramatische Unterstützung zu bieten. »Das hätte man nicht erwartet von so einer,
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