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Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel

Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel

Titel: Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel
Autoren: Terry Pratchett
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Kapitel 1
    Dies ist die Geschichte der Heimkehr.
    Es ist die Geschichte vom Gefährlichen Pfad. Es ist die Geschichte vom Lastwagen, der durch eine schlafende Stadt donnert, gegen Straßenlaternen stößt, Schaufenster zerschmettert und von der Polizei angehalten wird. Und als die verblüfften Beamten zum Streifenwagen zurückkehrten, um Bericht zu erstatten –
Ja, Sie haben richtig gehört: Es sitzt niemand am Steuer! –,
wurde daraus die Geschichte des Lastwagens, der wieder den Motor startete, von den verdutzten Männern fortrollte und in der Nacht verschwand.
    Aber die Geschichte fand hier kein Ende. Sie begann auch nicht an dieser Stelle.
    Es regnete Stumpfsinnigkeit. Es regnete Kummer. Es handelte sich um jene Sorte von Regen, der viel zu feucht ist, um einen Regen, der in großen Tropfen herabfällt und
platscht,
um einen Regen, der einem senkrechten Meer mit Schlitzen darin gleicht.
    Der Regen trommelte auf die alten Hamburger-Schachteln und Pommes Frites-Tüten im Abfallkorb, der Masklin derzeit als Versteck diente.
    Beobachten Sie ihn. Er friert. Er ist naß, besorgt und zehn Zentimeter groß.
    Normalerweise bot der Müllbehälter ein gutes Jagdrevier, selbst im Winter. Oft enthielten die Tüten noch das eine oder andere Kartoffelstäbchen, manchmal sogar Knochen von einem Hähnchen. Gelegentlich stieß Masklin auf eine Ratte. Über die letzte Ratte hatte er sich sehr gefreut – sie reichte für fast eine Woche. Es gab nur ein Problem: Am dritten Tag konnte man kein Rattenfleisch mehr sehen. Eigentlich blieb einem schon der dritte Bissen im Hals stecken.
    Masklin starrte zum Parkplatz.
    Und dort kam er, pünktlich wie immer, spritzte Regenwasser beiseite und hielt mit zischenden Bremsen. Seit vier Wochen traf der Laster an jedem Dienstag und Donnerstagmorgen ein.
    Masklin wußte auch, wieviel Zeit sich der Fahrer ließ.
    Sie hatten genau drei Minuten. Für jemanden, der so klein ist wie ein Nom, entspricht das einer halben Stunde.
    Masklin kroch an schmierigem Papier vorbei, sprang unten aus dem Abfallkorb und lief zu den Sträuchern am Rand des Parkplatzes. Dort warteten Grimma und die anderen.
    »Er ist da«, sagte er. »Kommt!«
    Sie standen auf, ächzten und murrten. Mindestens ein dutzendmal hatte Masklin mit ihnen geübt. Es war sinnlos, sie anzuschreien: Damit verwirrte er sie nur, und dann regten sie sich auf und murrten noch mehr. Sie meckerten immer. Über kalte Pommes frites, selbst wenn Grimma sie aufwärmte. Über Rattenfleisch. Ab und zu dachte Masklin daran, einfach fortzugehen, doch die mahnende Stimme des Gewissens hinderte ihn daran. Die anderen brauchten ihn. Sie benötigten jemanden, über den sie nörgeln konnten.
    Aber sie waren zu
langsam.
Masklin hätte am liebsten geweint.
    Statt dessen wandte er sich an Grimma.
    »Wir müssen uns
beeilen
«, drängte er. »Treib sie irgendwie an. Es dauert zu lange!« Grimma klopfte ihm auf die Hand.
    »Sie fürchten sich. Geh du voraus. Wir folgen dir gleich.«
    Masklin widersprach nicht – dazu war die Zeit zu knapp. Er eilte durch den Schlamm zum Parkplatz zurück, holte unterwegs Seil und Greifer hervor. Eine Woche hatte es gedauert, um den Haken aus einem Stück Zaundraht anzufertigen, und anschließend übte er tagelang. Der Wicht holte bereits damit aus, als er das Rad des Lasters erreichte.
    Beim zweiten Versuch verfing sich der Greifer oben an der Plane. Masklin zog an dem Seil, stützte die Füße an den Reifen ab und zog sich hoch.
    Nicht zum erstenmal begann er mit einer solchen Kletterpartie. Oh, er hatte schon drei oder vier hinter sich. Gekonnt kroch er unter die dicke Plane, in eine Welt der Finsternis, rollte noch mehr Seil aus und befestigte es an einem tauartigen Strick, dick wie sein Arm. Dann schob er sich wieder an den Rand und atmete erleichtert auf: Grimma führte die Alten
tatsächlich
über den Platz. Er hörte, wie sie sich über die Pfützen beklagten.
    Masklin sprang ungeduldig auf und ab.
    Stunden schienen zu vergehen. Eine Million Mal hatte er es den anderen erklärt, aber als Kinder waren sie nie auf Lastwagen gezogen worden und sahen nicht ein, warum sie jetzt damit anfangen sollten.
    Oma Morkie bestand darauf, daß alle Männer zur Seite blickten, damit sie ihre Unterröcke nicht sahen. Und der alte Torrit wimmerte so laut, daß Masklin ihn wieder hinabließ; Grimma legte ihm eine Augenbinde an. Nachdem er die ersten heraufgeholt hatte, war es etwas leichter für ihn, denn die anderen halfen ihm am Seil.
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