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Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel

Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel

Titel: Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel
Autoren: Terry Pratchett
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Trotzdem wurde die Zeit knapp.
    Grimma kam als letzte an die Reihe. Sie war leicht. Eigentlich wog niemand besonders viel – sie bekamen nicht jeden Tag Rattenfleisch.
    Erstaunlich: Schließlich befanden sich alle an Bord. Masklin hatte ständig nach den Geräuschen von Schritten auf Kies gelauscht, nach dem Knallen der zufallenden Fahrertür, aber nichts dergleichen geschah.
    »Na schön«, sagte er. Vor Anstrengung zitterte er.
    »Das wär’s. Wenn wir jetzt…«
    »Ich habe das
Ding
fallen lassen«, brummte der alte Torrit.
    »Das
Ding
. Ich habe es fallen lassen, verstehst du? Neben dem Rad, als mir Grimma die Augen verband. Hol es. Junge!«
    Masklin riß erschrocken die Augen auf, spähte unter der Plane hervor und … Ja, dort lag es, tief unten. Ein winziger schwarzer Würfel auf dem Boden.
    Das
Ding
.
    Es ruhte in einer Pfütze, doch das machte dem
Ding
sicher nichts aus. Es widerstand allem, sogar dem Feuer.
    Und dann hörte Masklin, wie der Kies in regelmäßigen Abständen knirschte. Jemand kam.
    »Wir haben keine Zeit mehr«, flüsterte er. »Es ist zu spät.«
    »Ohne das
Ding
können wir nicht aufbrechen«, stellte Grimma fest.
    »Natürlich können wir das. Es ist doch nur ein – ein
Ding.
    Wir brauchen das verdammte Objekt nicht mehr.« Masklin bedauerte diese Bemerkung sofort, und es erstaunte ihn, daß seine Lippen solche Worte formuliert hatten. Grimma wirkte entsetzt. Oma Morkie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und zitterte am ganzen Leib.
    »Du solltest dich schämen!« stieß sie hervor. »Es gehört sich nicht, so etwas zu sagen! Habe ich recht, Torrit?« Sie stieß ihm den spitzen Ellbogen in die Rippen.
    »Wenn wir das
Ding
nicht mitnehmen, bleibe ich hier«, erwiderte Torrit verdrießlich. »Es ist kein …«
    »Der Anführer spricht mit dir«, fuhr Oma Morkie fort. »Gehorch ihm gefälligst. Das
Ding
zurücklassen! Es wäre nicht richtig. Es wäre nicht anständig. Hol es, und zwar sofort.«
    Masklin starrte wortlos in den Schlamm hinab, warf verzweifelt das Seil über den Rand und hangelte sich daran nach unten.
    Es regnete jetzt stärker, und auch Hagelkörner fielen. Der Wind zerrte an Masklin, als er am großen Rad vorbeifiel, dann in der Pfütze landete. Er bückte sich, griff nach dem
Ding …
    Und der Lastwagen setzte sich in Bewegung. Zuerst dröhnte etwas, so laut, daß eine massive Wand des Lärms daraus wurde. Stinkender Qualm wehte Masklin entgegen, und er spürte eine alles erschütternde Vibration.
    Ruckartig zog er an dem Seil und rief den Alten zu, sie sollten ihn hochziehen – aber er hörte nicht einmal die eigene Stimme. Doch Grimma oder jemand anders begriff offenbar, worauf es jetzt ankam: Als das riesige Rad losrollte, straffte sich die Leine, und Masklin verlor den Boden unter den Füßen.
    Er stieß gegen die Radkappe und prallte ab, schwang hin und her, während man ihn quälend langsam hochzog. Nur wenige Zentimeter trennten ihn von dem Reifen, der jetzt ein schwarzer Schatten war, und ständig hämmerte das gräßliche Wummern auf ihn ein.
    Ich habe keine Angst,
dachte er.
Dies ist viel schlimmer als alles andere, womit ich jemals fertig werden mußte, und ich fürchte mich nicht davor. Etwas so Schreckliches läßt gar keine Furcht zu.
    Er fühlte sich wie in einem kleinen warmen Kokon, fern von Wind und Lärm.
Ich sterbe,
fuhr es ihm durch den Sinn.
Ich muß mein Leben für das
Ding
opfern, das uns nie geholfen hat, nie irgendeinen Nutzen hatte. Ja, jetzt ist es soweit, jetzt komme ich in den Himmel. Torrit hat oft erzählt, was passiert, wenn man stirbt. Ich frage mich, ob er recht hat. Schade, daß man sterben muß, um es herauszufinden. Jahrelang habe ich jeden Abend den Himmel beobachtet, ohne dort oben auch nur einen Nom zu sehen…
    Aber es spielte gar keine Rolle. Es betraf Masklin überhaupt nicht mehr. Er schwebte nun in einer anderen Wirklichkeit…
    Hände streckten sich ihm entgegen, faßten ihn unter den Armen, zogen ihn unter die knatternde Plane, lösten ihm mühsam das
Ding
aus den verkrampften Fingern.
    Hinter dem schneller werdenden Lastwagen senkten sich neue Regenvorhänge auf weite Felder herab. Und im ganzen Land gab es keine Nomen mehr. Es hatte viel mehr gegeben, damals, als es nicht so häufig regnete. Masklin erinnerte sich an mindestens vierzig. Doch dann kam die Autobahn: Der Bach wurde durch Rohre geleitet, die nächsten Hecken wurden mit den Wurzeln ausgegraben und entfernt. Die Nomen hatten immer in den Ecken der Welt
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