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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne
Autoren: Catherine Coulter
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Mädchen mehr. Sie mußte mindestens achtzehn Jahre alt sein, älter als die meisten Frauen, die bereits verheiratet waren und Säuglinge an den Brüsten nährten. Nicht Zarabeth, Stieftochter von Olav dem Eitlen. Forderte ihr Stiefvater einen zu hohen Brautpreis für sie? Wieso war sie noch unverheiratet? War sie zänkisch? Schätzte er sie falsch ein?
    Gelegentlich durften Frauen einen Bewerber ablehnen. Vielleicht gewährte Olav der Eitle ihr dieses Recht, und sie war noch keinem Mann begegnet, den sie zum Ehemann haben wollte.
    Er lächelte. Ihn würde sie nicht ablehnen; daran hegte er keinen Zweifel. Er würde schon dafür sorgen.
    In der Straße der Zimmerleute, dem Coppergate, blieb sie erneut stehen und redete mit dem Goldschmied, einem Mann, dessen Vater und Großvater vor ihm bereits Armbänder und Ringe gefertigt hatten, in feinstes Silber und Gold gefaßten honigfarbenen Bernstein vom Baltischen Meer oder Gagat, dem schwarzen Bernstein, aus der Gegend um Whitby. Sie verabschiedete sich, beschleunigte ihre Schritte und strebte einem großen Haus mit Wänden aus schweren Eichenplanken und einem Dach aus kunstvoll geschichteten Holzschindeln zu. In York standen sämtliche Häuser dicht aneinander gedrängt, in den engen Gassen zwischen den Häusern stank es erbärmlich und sie waren düster und nicht ungefährlich, da sich allerlei Gesindel darin herumtrieb.
    Magnus blieb stehen und zog seinen Wolfspelz enger um die Schultern. Seine Finger tasteten nach der ziselierten Goldbrosche, die den Pelzumhang an der Schulter festhielt. Die Brosche hatte er letztes Jahr in Birka gegen drei Otternhäute getauscht.
    Ein scharfer Wind war aufgekommen, und er war froh um den Wolfspelz. Plötzlich ärgerte ihn seine Unentschlossenheit. Er war schließlich nicht nur ein reicher Gutsherr und Handelsmann, er war der Sohn eines Herzogs, eines Jarls; ein Edler, erzogen zu herrschen und zu befehlen.
    Eine Frau mit fremdländischem Namen und fremdartiger Haarfarbe machte ihn unsicher, verschaffte ihm dieses warme, beklemmende Gefühl in der Brust. Wütend und unwirsch wandte er sich um und kehrte auf sein Schiff zurück.

2
    Magnus wollte sie am Brunnen auf dem Coppergate Platz treffen, wo die Männer am frühen Abend zusammenkamen und sich großspurige Geschichten erzählten, die heute ebensowenig Wahrheit enthielten wie vor hundert Jahren. Die Frauen holten Wasser aus dem Brunnen und setzten sich etwas abseits von den Männern, nähten Umhänge und Gewänder aus Wolltuch und hatten ein Auge auf die Kinder, die in der Nähe spielten. Es war eine Zeit der Muße nach einem arbeitsreichen Tag, Zeit zum Plaudern und Entspannen.
    Magnus trat auf den breiten Platz, äugte wachsam zu den kleinen Männergruppen hinüber, gewohnheitsmäßig auf der Hut vor feindlichen Übergriffen. Dann sah er Zarabeth, die mit einem Holzkübel zum Brunnen ging, um Wasser zu holen. Sie war allein; das kleine Mädchen war nicht bei ihr.
    Er ging auf sie zu, Entschlossenheit in jedem Schritt, blickte nicht links noch rechts und sprach sie an, während sie ihren Eimer in den Brunnen hinabließ: »Mein Name ist Magnus Haraldsson. Ich bin Gutsherr und Handelsmann. Ich lebe mit meiner Familie in der Nähe von Kaupang in Norwegen. Ich bin kein armer Mann, ich bin weder grausam noch hinterhältig, und ich möchte dich zur Frau nehmen.«
    Zarabeth entglitt der Strick, an dem sie den Eimer hielt. Sie starrte in die Tiefe des Brunnens, bis sie das Klatschen auf dem Wasser hörte. Dann richtete sie sich auf und wandte sich dem Mann zu, der sie erschreckt hatte.
    Ihr geradeaus gerichteter Blick traf seinen Hals, dann erst hob sie die Augen in sein Gesicht. Sie war gewohnt, Männern mitten ins Gesicht zu sehen. »Wie bitte? Du willst was?« Sie schüttelte den Kopf, ihr war zum Lachen zumute. »Ich muß deine Worte mißverstanden haben. Was hast du gesagt, Herr?«
    Magnus wiederholte seine Worte geduldig, denn ihre
    Stimme und ihr Lachen gefielen ihm. »Ich sagte, ich möchte dich zur Frau nehmen. Mein Name ist Magnus Haraldsson. Dein Name kommt mir schwer über die Zunge, aber ich werde ihn häufig aussprechen, dann fällt es mir bald nicht mehr schwer — Zarabeth.«
    Die fremdländische Betonung ihres Namens klang hübsch, und sie lächelte, trotz seiner seltsamen Worte und seines dreisten Antrags, der wohl kaum ernstgemeint sein konnte. Freilich sah er auch nicht aus wie einer, der zu viel Met oder Bier getrunken hatte. Seine Worte erheiterten sie, ob
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