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Im Schatten der Mitternachtssonne

Im Schatten der Mitternachtssonne

Titel: Im Schatten der Mitternachtssonne
Autoren: Catherine Coulter
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Orm. Aber zuvor soll dir ein wenig warm werden. So warm wie es Magnus und Zarabeth haben sollten, und allen Leuten auf Malek, als du den Hof meines Bruders in Brand gesteckt hast. Ich hätte dir nicht glauben dürfen, ich hätte dir nicht verzeihen dürfen, daß du Malek niedergebrannt hast. Aber ich habe dir vertraut. Ich habe deinen Worten geglaubt, es sei ein Unfall gewesen, es sei nicht deine Absicht gewesen, einer deiner Männer habe es getan. Ich wußte natürlich, daß du lügst, aber ich wollte es mir nicht eingestehen. Sonst hätte ich mir auch eingestehen müssen, daß ich eine Närrin war, daß ich auf dich hereingefallen bin, daß ich meine Familie verraten und belogen habe. Spürst du, wie warm es wird, Orm? Das Dach brennt jetzt richtig lustig. Bald, mein Geliebter, bald wirst du es so warm haben, daß du vor Glück jauchzen wirst.«
    Jetzt wußte er, was sie getan hatte. Sie lächelte still vergnügt in sich hinein, als sie sein Brüllen und sein gotteslästerliches Fluchen hörte, und wie er an der Türverriegelung riß, mit dem Eisenhaken gegen die Holzwand trommelte. Nein, es gab kein Entrinnen für ihn. Sie trat ein paar Schritte zurück, denn die Hitze war nun unerträglich geworden, und die Flammen züngelten seitlich aus der Holzverschalung. Funkenregen fuhr prasselnd hernieder. Dann knackten die Balken, die das Strohdach trugen. Kurz darauf stürzten die durchgebrannten Balken krachend ein und begruben die gellenden Wahnsinnsschreie des Gefangenen.
    Egill stand neben ihm, seine Hand lag auf dem Arm des Vaters. Diese einfache Berührung machte ihn froh; nun wußte er, daß alles gut war. Lotti lag schlafend in Zarabeths Schoß, den Daumen im Mund.
    »Ingunn lebt, aber ich weiß nicht, ob sie je wieder zu Verstand kommt.«
    Magnus nickte bei Tostigs Worten. Tostig ließ sich erschöpft auf der Holzbank nieder und legte die Ellbogen auf den Tisch. Diejenigen von Orms Männern, die sich ihnen im Kampf entgegengestellt hatten, waren besiegt und totgeschlagen. Die Männer, die ihre Äxte und Schwerter weggeworfen hatten, hatten sie laufen lassen.
    Magnus' Schwester lag in einer Kammer im hinteren Teil des Langhauses, schwerverletzt mit Knochenbrüchen, aufgeplatzten Fleischwunden und verwirrten Geistes. Magnus hatte ihr den Tod gewünscht für all das Grauen, das sie ihm und den Seinen angetan hatte. Jetzt war er sich nicht mehr so sicher. Schaudernd dachte er an Orm Ottarssons Tod. Als sie die Hütte erreichten, lag Ingunn auf Knien vor den eingestürzten Trümmern, die letzten züngelnden Flammen spiegelten sich im Wahnsinn ihrer irren Augen. Sie sprach mit Orm, gurrte zärtliche Liebesworte, versprach, ihn nie zu verlassen. Lange kauerte sie vor dem Scheiterhaufen, lange, nachdem seine qualvollen Todesschreie verstummt waren.
    Ingunn hatte zu Magnus hochgeblickt: »Orm wußte, daß du kommst. Es hat ihm Spaß gemacht, dich zu verhöhnen. Das Spiel gefiel ihm außerordentlich. Ich bin froh, daß du hier bist.« Dann war sie verstummt. Seither hatte sie nicht wieder gesprochen.
    Zarabeth küßte Lottis Stirn. Dann lächelte sie Egill an. »Du hast ihr das Leben gerettet. Allen Göttern sei Dank, daß du sie aus dem Meer gezogen und alles Wasser aus ihrem Körper gepreßt hast. Du hast ihr das Leben gerettet, und danach hast du sie mit deinem eigenen Leben beschützt. Dafür danke ich dir aus tiefstem Herzen, Egill. Du bist ein sehr tapferer Junge.«
    »Sie braucht mich«, sagte Egill. »Sie wird jeden Tag sicherer, aber sie braucht mich immer noch. Sie sagt jetzt schon viele Wörter, Zarabeth. Ich hatte befürchtet, sie gibt auf, als Orm uns wieder gefangennahm, als wir mit Tante Ingunn zum Hafen kamen. Aber sie war sehr tapfer. Sie hat mir gesagt, daß alles wieder gut wird. Sie hat meine Hand gehalten. Ich war sehr stolz auf sie.«
    Magnus kam aus dem Staunen nicht heraus, als er die erwachsenen Worte seines Sohnes hörte. Die Veränderungen der letzten Monate in dem Knaben waren verblüffend. Er hatte geglaubt, Egill so wiederzufinden, wie an dem Tag, an dem er verschwand. Doch der Junge war stark verantwortungsbewußt und fürsorglich geworden. Magnus stand auf, hob Egill hoch und stellte ihn wieder auf die Beine. Dann drückte er ihn an sich, bis Egill protestierte, er breche ihm sämtliche Rippen. Magnus lockerte den Griff und flüsterte an seiner Wange: »Bei Thor, du hast mir gefehlt. In Zukunft werde ich besser auf dich aufpassen.«
    Zarabeth lachte, wurde aber gleich wieder ernst. Sie
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