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Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)

Titel: Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
Autoren: Volker Ferkau
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Knüppeln, Äxten und Schaufeln bewehrten. Sie würden Bamig finden. Sie würden ihn töten. Der Ärger war spürbar wie ein schleimiges Tier, sogar der Geruch über dem Dorf schien sich verändert zu haben, er war sauer und fahl.
    Nun schien alles möglich. Bluma erinnerte sich an Geschichten, die ihr Bobba gesungen hatte. Geschichten, in denen sich Dörfer gegenseitig vernichteten. In denen sich ganze Kulturen ausrotteten.
    Vielleicht, dachte sie, hatten sie bisher in einem Märchen gelebt. Und nicht alle Märchen hatten ein gutes Ende, zumindest einige nicht. War nun die Zeit des Mordens, des Metzelns gekommen? Hatte nun das Übel Macht über sie gewonnen? War es bei ihnen ebenso wie bei vielen anderen Kulturen der Zeitgeschichte, von denen Vater zu singen wusste: Dass eines Tages der Zersetzungsprozess begann und sich das Gebilde der Gemeinschaft von innen her zerstörte?
    Ihr war klar, dass sie nicht wie eine Barb dachte. Sie war kleiner als viele andere, doch ihre Weitsicht war größer. Sie dachte zu viel . Ein Barb dachte geradeaus, dachte nichts Böses, tat, was getan werden musste. Sie hingegen dachte – um die Ecke.
    Einige Frauen schleppten den toten Borro in die Kühlhöhle, Männer umwogten den Häuptling. Eine Welle der Gewaltbereitschaft zog über das Dorf und schwängerte den Abend.
    Rufe wurden laut. »Bamig muss sterben! Bamig ist ein Mörder!«
    Bob wandte sich an Bluma. »Wohin ist Bamig geflüchtet?«
    »Ich glaube, zum Strand. Dort liegt sein Boot. Vielleicht will er damit die Insel verlassen, aber das glaube ich nicht. Wir alle wissen, dass er von kleinauf Angst hat, nach Einbruch der Dämmerung auf das Meer zu fahren, weil er sich vor den Wasserungeheuern fürchtet«, stieß Bluma hervor. Ihr Schädel drohte zu platzen.
    Burrl gesellte sich an Bobs Seite. Er schwang seinen Schmiedehammer. »Das Miststück wird bezahlen!«, rief er.
    Einige klopften Steine und entflammten weitere Fackeln. Die Dämmerung war über Fuure gekommen wie ein reißendes Tier. Der Himmel war wolkenverhangen. Man konnte kaum die Hand vor Augen sehen.
    Das alles schien den aufgebrachten Barbs egal zu sein. Sie hatten Blut gewittert. Sie forderten Vergeltung. Endlich, endlich wussten sie, wer der Urheber des Ärgers war. Endlich hatten sie einen Sündenbock ausgemacht. Und dieser musste vernichtet werden.
    »HALT!«, schrie Bluma. Sie schlug sich im selben Moment mit der Handfläche vor den Mund.
    Die Gruppe fuhr wie eine Person zu ihr herum. Bama vertrat ihrer Tochter warnend den Weg und schüttelte vehement den Kopf. Über den Schleier ihres Trotzes hinweg vernahm Bluma die Worte: »Misch’ dich da nicht ein. Das ist nicht Sache eines Kindes!«
    »Liebe Güte!«, begehrte Bluma auf. »Ich bin weder ein Kind, noch lasse ich mir vorschreiben, was ich zu denken und zu sagen habe.«
    Es wurde still auf dem Dorfplatz. Nur die Fackeln knisterten. Der eine oder andere grunzte und spuckte aus.
    Peinlich berührte Blicke strichen über Bluma hinweg zu ihrem Vater. Das störte sie nicht. Hatte sie nie gestört. Ein Problem, gewiss, jedoch keines, das so groß war wie der Ärger .
    »Wenn ihr Bamig lyncht, seid ihr nicht besser als der Mörder. Was immer hier geschieht – es kann nicht sein, dass wir ihm so sehr nachgeben. Schickt zwei oder drei Männer , und nehmt Bamig gefangen. Und morgen, am hellen Tage, richtet über ihn. Zuerst lasst ihn erklären, was geschehen ist. Vielleicht erfahren wir mehr über den Ärger , wenn Bamig uns seine Gründe für diesen Mord geschildert hat – falls es überhaupt ein Mord war!«
    »Was soll es denn sonst gewesen sein?«, begehrte jemand auf. »Ich denke, du hast es selbst gesehen?«
    Einige Männer lachten.
    Bobba trat von einem Bein auf das andere. Seine Miene zog sich zusammen wie eine Faust. Für einen Moment hatte Bluma Furcht, er würde sie vor allen anderen Barbs bestrafen. Stattdessen kratzte er sich den Schädel und nickte ganz langsam. »Ja, Leute. Ja.« Er brummte unwillig. »Sie hat Recht. Wir sind keine Mörder. Waren wir nie und werden wir niemals sein. Wir werden Bamig nicht lynchen. Er soll unseren Zorn spüren, aber zuerst wollen wir ihn befragen. Ich glaube nicht, dass er sich schon heute Nacht aufs Wasser wagt. Und falls doch, wird er vor Angst sterben. Deshalb werden wir jetzt ausschwärmen, und ihn suchen!« Er spuckte aus. »Und niemand wird sich an ihm vergreifen, ist das klar?«
    Knurrende Zustimmung.
    Bluma atmete tief ein. Sie war maßlos erleichtert. Ihr Bobba
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