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Im Reich der Feuergöttin

Im Reich der Feuergöttin

Titel: Im Reich der Feuergöttin
Autoren: Horst Hoffmann
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schreckgeweiteten Augen starrte sie die menschengroße Kreatur an, die in ihrer Gestalt an einen Affen erinnerte. Anstelle eines Pelzes aber hatte es eine purpurne, lederige Haut, die sich zwischen Armen und Rückgrat wie große Segel spannte. Aus dem eher gedrungenen Körper ragten lange, dünne, sehnige Gliedmaßen heraus, an deren Enden fünffingrige Krallenhände saßen, die einen Menschen zerfleischen konnten, ehe dieser auch nur einmal zu atmen vermochte. Der Kopf des Tukken war rund und haarlos. Spitze Ohren schwangen sich über den Schädel. Lange, scharfe Reißzähne stachen aus einem weit aufgerissenen Rachen unter der winzigen, breiten Nase. Mauni blickte in riesige runde, rote Augen, aus denen unbeschreibliche Wildheit sprach - wie aus jeder Bewegung der nun überall um sie herum landenden Tukken. Sie fielen auf die Plattform herab, krallten sich neben, über und unter ihr in den Fels und schlugen wie rasend mit ihren Flughäuten um sich, wobei sie abgehackte, schrill kreischende Laute von sich gaben.
    Und um das Maß des Schreckens vollzumachen, gewahrte die Matu auf einem der Wesen einen Fraß, einen buckelartigen Höcker im Nacken, der nichts anderes war als ein Schmarotzer, der mit dem Körper des Tukken verwachsen schien. Mauni wußte es besser, und das Entsetzen lähmte ihre Bewegungen und ihre Zunge. Sie hatte Visionen von dem Leben im Reich der Dämonen gehabt, unklar und unvollkommen zwar, doch deutlich genug, um sie wissen zu lassen, woher die Tukken kamen, was sie hier wollten, und daß einige von ihnen den Fraß auf sich reiten ließen, um ihn am Ziel dann auf ihre Opfer überspringen zu lassen. Er konnte sich jederzeit lösen und einen anderen Wirtskörper befallen. Vor langer Zeit mußten die Tukken schon einmal die Inseln heimgesucht haben, denn Frauen und Männer wußten sich schreckliche Geschichten von jenen zu erzählen, die „vom Fraß befallen wurden“. Doch das waren Legenden, und niemand wollte mehr so recht daran glauben, daß nach der Errichtung der Großen Barriere nochmals Tod und Verderben in dieser Form über die Stämme gebracht werden konnte.
    Mauni kam noch nicht in den Sinn, daß sie selbst dafür gesorgt haben konnte, indem sie den Pakt mit den Dämonen schloß und Ramoa in ihrem abgrundtiefen Haß ebenfalls den Dunklen Mächten auslieferte. Sie wich bis zur Felswand zurück, Entsetzen im Blick und die Hände abwehrend weit von sich gestreckt. Die Kreaturen des Dschungels konnte sie durch ihre magischen Kräfte bannen, nicht aber das, was direkt aus dem Reich der Finsternis kam.
    „Weg!“ schrie sie. „Geht fort! Ich bin kein Opfer für euch! Nicht ich!“ Es gab keine Rettung. Der Tukke, der den Fraß trug, stieß die anderen roh zur Seite und streckte seine Krallenhände nach ihr aus. Mauni sah, wie der Fraß sich zu bewegen begann, hin und her ruckte und sich mit einem schmatzenden Laut vom Nacken seines Trägers löste. Alles andere ging so schnell vor sich, daß die Matu kaum sah, wie der Fraß sich über die Schulter des Tukken schob und auf sie zuschnellte. Für die Dauer eines Gedankens nur blickte sie in die große, maulähnliche Saugöffnung auf der Unterseite des Schmarotzers. Dann saß das Etwas auf ihrer Schulter und schob sich so schnell, daß sie auch mit freien Händen keine Möglichkeit zur Abwehr gehabt hätte, von hinten über, ihren Kopf, bis nur noch ihr Gesicht frei war. Sie spürt, wie ihre Haare in den Saugschlund gerissen wurden und ihre Kopfhaut sich schmerzend spannte. Dann war alles vorüber. Der Fraß umschloß ihren Schädel wie eine Haube mit rundum einem Borstenkranz. Grauen und Panik lähmten Maunis Gedanken. Wie durch Schleier sah sie die Tukken aus ihrem Blickfeld verschwinden, als sie ihre Flughäute spannten und sich vom Fels abstießen, auf dem Weg zu neuen Opfern. Ihr Herzschlag setzte aus, und sie bekam keine Luft mehr. Etwas drang in sie ein, ergriff Besitz von ihr und tauchte ihre Welt in Dunkelheit.
    Die Matu sank in die Knie, kippte zur Seite und blieb mit weit aufgerissenen Augen liegen.
    So lag sie da, eine Ungewisse Zeit lang. Doch als sie wieder zu atmen begann, herrschte noch Dämmerung. Die Nacht kündigte sich an, doch die Finsternis war noch nicht vollkommen.
    Maunis Blicke klärten sich. Langsam richtete sie sich auf, fühlte wieder ihren Herzschlag und betastete behutsam den Fraß um ihren Kopf.
    Der Schmarotzer gab ihr Kraft. Er gab und nahm von ihr. Der Pakt war endgültig besiegelt.
    Mauni sah einen toten
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