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Im Reich der Feuergöttin

Im Reich der Feuergöttin

Titel: Im Reich der Feuergöttin
Autoren: Horst Hoffmann
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sollten.
    In solchen Nächten starben Helden - und neue wurden geboren.
    (Aus den geheimen Gesängen der Zaubermütter von Vanga)
     
     
    1.
     
    Hunderte von Fackeln erhellten das Meer rings um das Totenboot, in dem Honga seine letzte Reise machte. Frauen und Männer von Tau-Tau begleiteten den Helden von der Küste der Dämmerung hinaus aufs offene Meer. Die Frauen standen aufrecht vorne in den Booten, während die Männer an den Rudern saßen und schwitzten. Mit lauter Stimme sang Loana, die Stammesmutter, die Klagelieder, und von Zeit zu Zeit fielen die anderen in die Gesänge ein. Die völlige Finsternis der Nacht war der Dämmerung des Tages gewichen. Hier, vor der Küste von Tau-Tau wie überall auf den Inseln der Dämmerzone, kannten die Menschen keine Sonne, keinen Mond und keine Sterne - nur das gelegentliche Aufblitzen der Himmelssteine.
    Die Winde des Südens bliesen ins kleine, über das Totenboot gespannte Segel und trieben es weiter hinaus ins Nebelmeer. Loana stand mit ausgebreiteten Armen, wie um den wie ein Sarg geschlossenen Einbaum vor den Mächten zu schützen, die das Wasser beherrschten. Ihre Ruderer mußten Schwerstarbeit leisten, um das prächtige, mit Fetischen und Bannern geschmückte Boot der Stammesmutter auf gleicher Höhe mit dem toten Helden zu halten.
    Je dichter der Nebel wurde, desto spärlicher drang das Licht der Fackeln von den anderen Booten herüber. Alle Bewegungen schienen sich zu verlangsamen, und selbst der Wind erschlaffte. Die Küste war längst nicht mehr zu sehen. Als der Wind vollends erstarb, hob Loana eine Hand, und die Gesänge verstummten.
    Nur das Schlagen der Wellen war noch zu hören. Loana schwang ihre Fackel über dem Kopf, als wollte sie den Nebel durchteilen. Dann schleuderte sie das Feuer auf den pechgetränkten Sarg. Sie blieb dort liegen, und für Augenblicke war es so, als wehrte sich der Held noch im Tod dagegen, von den Flammen verzehrt zu werden. Doch schon leckten die roten Zungen über den Einbaum und hüllten ihn in einen unwirklichen Schein.
    Loana gebot den Ruderern, das Schlagen einzustellen. Wie eine Statue stand sie da, ganz in ihre mit Fetischen behangenen dicken Felle gehüllt, die die klamme Kälte nicht völlig abhalten konnten. Links und rechts von ihr schälten sich Boote aus dem Nebel, und die Frauen der Insel blickten dem brennenden, schwimmenden Sarg nach, der langsam in der Ferne entschwand, bis auch der rötliche Schein nicht mehr zu sehen war.
    Eine Weile herrschte Schweigen. Dann sagte Loana mit fester Stimme:
    „Mögest du ins Reich der Helden eingehen und deinen Weg zu uns zurückfinden, Honga! Mögest du die Kraft mitbringen, die du brauchen wirst, um Ramoa zu besiegen und die schreckliche Gefahr von uns abzuwenden!“
    „Selbst falls er zurückkehrt“, rief von einem anderen Boot eine Frau, „wird es zu spät sein, Loana! Ramoa hat sich gegen ihr eigenes Volk gewandt! Sie wird nicht eher ruhen, bis wir alle ausgelöscht sind!“
    Ausgelöscht…
    Es gab keinen treffenderen Ausdruck für das, was die Insel und all ihre Bewohner bedrohte, solange die
    Feuergöttin am Leben war.
    „Wir werden andere Helden erwählen und sie zum Feuerberg schicken“, verkündete die Stammesmutter. „Und wir werden warten auf jenen, den das Orakel uns verheißen hat!“
    Damit gab sie den Ruderern das Zeichen zur Umkehr. Nur zwei Boote blieben in den Nebeln und der Stille zurück, um die Totenwache zu halten und auf die Rückkehr des Helden zu warten.
    Helden, so glaubten die Tau, hatten mehrere Leben. Honga war dazu auserwählt worden, zum Vulkan aufzusteigen und die Feuergöttin zu töten, die die glühende Asche aus dem Leib der Welt nicht länger gegen die Feinde aus der Dunkelwelt, sondern gegen jene schleuderte, die zu beschützen ihre Aufgabe war.
    Honga war unter allen Männern der Insel zum Helden bestimmt worden. Und als solcher würde er den Weg zurück finden - in welcher Gestalt auch immer.
     
     
    *
     
    Tau-Tau war eine der größeren Inseln der Dämmerzone, jenes Niemandsland, das sich vom Reich der Dämonen bis hin zur Großen Barriere erstreckte, um deren Entstehung sich abenteuerliche Legenden rankten.
    Die Tau wußten so gut wie nichts über Meer und Land jenseits der Barriere. Sie fragten auch nicht danach. Sie hatten genug damit zu tun, sich gegen die Schrecken zu behaupten, die ihre eigene kleine Welt für sie bereithielt. Tau-Tau maß etwa einen mal einen Vierteltagesmarsch. Der Feuerberg lag im Westen der Insel,
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