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Im Reich der Feuergöttin

Im Reich der Feuergöttin

Titel: Im Reich der Feuergöttin
Autoren: Horst Hoffmann
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Stelle, an der sich das Schwert befunden hatte, mit dem Honga zum erstenmal den Weg zum Vulkan antrat, war leer. Es war die einzige Waffe der Tau aus einem unbekannten, unglaublich harten Material gewesen, mit einer Klinge so scharf wie die Halme des Riesengrases und leuchtend, wenn der Schein der Fackeln auf sie fiel.
    Magische Fetische sollten den Helden vor Beeinflussungen durch Dämonen und Zauber schützen. Von der Decke herabhängende getrocknete Früchte und Kräuter sollten ihm Kraft und Erleuchtung geben.
    Obwohl Loana ihre Felle und das schwere Gewand abgelegt hatte und nun nur ein dünnes Kleid trug, das gerade ihre Blößen bedeckte, schwitzte sie. Im Lauf der Nacht war es heißer geworden. Wärme und Kälte wechselten einander schnell ab in der Dämmerzone. Doch das plötzliche Umschlagen des Windes war selbst für die Verhältnisse auf Tau-Tau zu schnell gekommen, und nicht nur Loana schrieb dies der abtrünnigen Feuergöttin zu. Aber es war nicht nur die Wärme der Nacht, die die Stammesmutter schwitzen ließ. Sie mußte gegen die innere Unruhe kämpfen, die stärker wurde, je länger Honga die Augen geschlossen hielt. Maneas Warnungen gingen ihr nicht aus dem Sinn. Sie tat sie nicht länger als Unfug ab, denn schon schlug ihr Mißtrauen aus den Reihen der Frauen entgegen. Zwei Aufseherinnen gar waren aufgebrochen, um zu den benachbarten Inseln zu rudern. Was sie sich von dort erhofften, war nicht schwer zu erraten.
    Loana trat erneut an das Lager und legte dem Fremden die Hände auf die Stirn.
    „Erwache, Honga“, sagte sie beschwörend. „Kehre zurück aus dem Reich der Toten!“
    Artea schüttelte heftig das Haupt.
    „Es ist zwecklos, Loana. Nicht wir bestimmen über ihn. Das war einmal so. Honga gehorcht nun höheren Mächten.“ Sie blickte zum Eingang. „Wir würden gut daran tun, uns darauf vorzubereiten, sein Leben zu verteidigen.“
    Die Stammesmutter fuhr herum.
    „Niemand wird es wagen, die Hand gegen ihn zu erheben!“
    Sie erschrak vor der eigenen Heftigkeit. Konnte sie sich dessen wirklich sicher sein? Keine Frau der Insel war ihren Kräften gewachsen. Doch wenn einige bereits unterwegs waren, um sich Unterstützung von anderswo zu holen…
    „Vielleicht hast du recht, Artea“, sagte sie. „Geh und nimm dir die besten Kämpfer. Verteilt euch am Strand, und wenn Frauen von den Nachbarinseln kommen, so führt sie zu meiner Hütte. Fordert ihren Zorn nicht heraus, aber laßt sie auch keinen Moment aus den Augen.“
    „Mauni wird unter ihnen sein“, prophezeite die Jägerin. „Sie hat nicht vergessen, daß nicht sie zur Feuergöttin bestimmt wurde.“
    „Sie soll kommen“, sagte Loana.
    Artea schlug sich mit der flachen Hand gegen das Steinbeil im Gürtel und verschwand aus dem Heldenhaus. Zwei Frauen folgten ihr. Loana und die anderen warteten weiter auf des Helden Erwachen.
    Asche regnete auf das Land herab, zusammen mit plötzlich einsetzendem Regen, der gegen die Wände der Hütte schlug. Draußen tobte ein Sturm, und Blitze zuckten vom Himmel herab. Donner rollte über Inseln und Meer.
    Aber die Augen des dunkelhäutigen Mannes blieben geschlossen.
     
     
    *
     
    Während die Frauen auf Tau-Tau auf das Erwachen des Wiedergeborenen warteten und sich die Männer auf einen Kampf einrichteten, während andere über das Wunder tuschelten, sahen sich sechs Meeresjägerinnen von einer der vielen tausend anderen Inseln der Dämmerzone dem Grauen gegenüber.
    Sie hatten sich bei Anbruch der Nacht mit einem großen Doppelboot weit aufs offene Wasser hinausgewagt, um Nahrung für ihren Hunger leidenden Stamm zu beschaffen. Der Blutnebel war die Zeit nicht nur der Kämpfe, sondern auch der Dürre und der Entbehrungen. Die Pflanzen, die in dieser Welt ohne Licht gediehen, verkümmerten und hatten ihre Früchte längst verloren. Das neue Leben sproß überall, doch die Sämlinge ließen sich nicht essen, und die jagdbaren Tiere versteckten sich in tiefen Höhlen. So trieb der Hunger die Jägerinnen hinaus aufs Meer - selbst in jenen Nächten, in denen die Nebel dämonisches Leben gebaren.
    Und es war dämonisches Leben, das vor der Plattform, die die beiden Rümpfe des Doppelboots verband, aus der Tiefe stieg. Solanga, die Anführerin der Jägerinnen, hatte sterbende Frauen von Kämpfen mit Seeungeheuern berichten hören, gestandene Kämpferinnen, die ihre Hütten mit den Trophäen ihrer Opfer geschmückt hatten, und die sich mit letzter Kraft hatten ans Land retten können. Doch alle
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