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Im Pfahlbau

Im Pfahlbau

Titel: Im Pfahlbau
Autoren: Alois Theodor Sonnleitner
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geht«, gab Peter zu, »und schau dir den Drehstein an, wie der sich in die Hand legt ... ein schöner Quetscher!«
    Eva stimmte vergnügt zu: »Mit dem kann ich im Muldenstein Kastanien zerdrücken und Nußkerne!«
    Die glücklichen Finder schwenkten nach links ab ins Glimmerschiefergelände. Peter zeigte auf einen breitklaffenden Riß, eine kleine Höhle, deren Wände mit Kristallen besetzt waren. Wasserhelle, glatte, scharfkantige Kristallstäbchen mit sechskantigen Spitzen saßen da in ganzen Nestern an den Seitenwänden, von der Sonne durchleuchtet. Es waren Bergkristalle, einzelne kurz und dünn wie Grashalme, andere fingerlang und daumendick! Eva klatschte in die Hände. Noch nie hatte sie so viele Kristalle beisammen gesehen. Peter aber zog jetzt seine neuen Pfeile aus dem Köcher und wies auf die als Spitzen eingefügten Kristallsplitter: »Hartsteine sind's! – Das ist wohl das Beste daran.« Dann setzte er eine Rehkrickelstange, die ihm sonst als Grabwerkzeug diente, an das untere Ende eines Kristalls und schlug mit seinem Steinbeil kräftig auf den Rosenstock des Geweihes. Klingend sprang der abgeprellte Kristall von seinem Muttergestein ab. In Peters Tasche häuften sich bald die Kristalle. Nicht nur wasserhelle Bergkristalle fand er, sondern auch veilchenblaue Amethyste und gelbe Zitrine. Darunter gab es Stücke von der Stärke eines Handgelenks. Was für Werkzeuge ließen sich daraus spalten: Messer, Sägeblätter, Pfeil- und Lanzenspitzen; ja, die stäbchenförmigen Hartsteine waren auch ohne Zurichtung als Bohrer brauchbar!
    Peter suchte die Geröllhalde unterhalb des Granits und Glimmerschiefers ab und fand vieles, das zur Verwendung lockte: weiche, grünlichgraue und gelbliche Steine, die wie Talg aussahen und sich mit dem Fingernagel ritzen ließen – es waren Specksteine –, dann wieder grüne, weißgeäderte, harte Serpentine, achtflächige schwarze Kristalle, die im Glimmerschiefer saßen; es waren Magneteisensteine. Im Geröll der Schuttlehne lagen verstreut derbe, halbharte, glanzlose Steine, grün die einen, herrlich blau die anderen. Es waren Kupfererze, Malachit und Kupferlasursteine. Auch die kannte er nicht, nahm sie aber wegen ihres auffallenden Aussehens ebenso mit wie die walnußgroßen, vielkantigen Granate, mit denen er noch nichts anzufangen wußte. Eva, die sammeln half, wünschte, er solle ihr die schönen Steine irgendwie durchlochen, sie wolle sie auffädeln und um den Hals legen. Da mußte er lachen. Er wäre froh gewesen, wenn es ihm endlich gelungen wäre, sein grobes Steinbeil zu durchbohren!
    Schweigsam, aber zufrieden mit ihrer Ausbeute, wandten sich die beiden Sammler zum Gehen. Das kühle Rinnsal des Moorbaches, sein klares, trinkbares Wasser, das üppige Grün der Farne an den Uferrändern, die weitüberhängenden Ranken der blaublühenden Alpenrebe, das muntere Treiben der Wasseramseln, all das erquickte sie und machte sie glücklich. Die obersten Zinnen der Salzwände erglühten im Abendrot, als die beiden eine Kristalldruse aufs Grab der Ahnl legten, ein Opfer vom Schönsten, das sie besaßen.
    Im Morgengrauen des nächsten Tages schleifte Peter mit Evas Hilfe den Topfstein samt dem Quetscher in einer Rehhaut heim und sammelte unterwegs noch rundliche Bachkiesel dazu. Der dicke Brei, den Eva darin bereitete, war ein gesalzenes Gemengsel von erst gerösteten, dann zerquetschten Kastanien mit Lauch und geräuchertem Speck. So heiß, wie es Peters Hand vertragen konnte, nahmer den Brei aus dem Muldenstein und strich ihn sich mit den Fingern geschickt in den Mund. Was er übrigließ, verdünnte Eva mit Wasser, salzte es und tat allerlei Würzkräuter dazu, legte einen neuen, schieferig geschichteten heißen Kochstein ins kalte Wasser und sah mit Freude, wie es dampfend aufwallte. Der Stein aber zersprang. Jetzt wußte sie, daß sie zu dieser Art Kocherei nur fugenlose Steine verwenden durfte, die nicht so leicht zersprangen. Zum Schöpfen ihrer Kräutersuppe aus dem seichten Topfstein war der Rehschädel ungeeignet. Da kramte sie in Peters Allerlei und fand eine große Walnußschale, aus der sie sich mittels eines quergewickelten Darmfadens und eines Stäbchens den ersten Löffel machte.
    Von da an gehörten Brei und Suppe zu den täglichen Gaumenfreuden der Höhlensiedler. Es war oft ein wunderliches, überwürztes Gemengsel, aber es sättigte und wärmte. Mit der Zeit merkte Eva, daß weniger Salz und Würzkräuter dem Gaumen und der Nase wohler taten als zuviel.
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