Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Pfahlbau

Im Pfahlbau

Titel: Im Pfahlbau
Autoren: Alois Theodor Sonnleitner
Vom Netzwerk:
scheuerten die Knoten so stark, daß sie diese mit einem Stein flach- und weichklopfen mußte.
    In der Höhle, in die sie sich vor einem Platzregen geflüchtethatte, trug sie wieder ihren alten Fellschurz, dessen Haarseite fast kahl war.
    Auch Peter mußte etwas Frohes erlebt haben. Mit vergnügtem Gesicht kehrte er im strömenden Regen heim und rief, als ob kein Verdruß zwischen ihnen stünde: »Everl, ich bring' dir was Gutes!« Bei der Erinnerung an das, was Peter im Frühling unter »etwas Gutes« verstand, erwiderte sie: »Behalt's, ich mag's nicht!« und ging in ihre Schlafkammer hinauf. Einschlafen konnte sie lange nicht. Sie hörte Peter am Herdfeuer herumstochern, Reiser knicken und auflegen; bald roch sie einen eigenartigen Bratenduft, den sie nicht kannte.
    Aber ihr Eigensinn war stärker als ihre Neugierde. In Gedanken beschäftigte sie sich mit ihrer nächsten Aufgabe: Der Schultermantel mußte besser werden als der Rock. Sie dachte an die Schwierigkeit, die Querfäden mit den Fingern abwechselnd unter und über den Längsfäden durchzubringen. Und dann fiel ihr ein: Wenn ich den Faden durch eine Nadel zöge? Ließe er sich nicht leichter durchschieben als mit den bloßen Fingern? Im Halbschlaf träumte sie, sie säße vor der begonnenen Arbeit am Sonnstein. Plötzlich fand sie sich an einer verlassenen Feuerstelle mit einem leicht angekohlten Zweigstück in der Hand, das sie an einem Granitbrocken zu einer fingerlangen flachen Nadel zurechtschliff und mit einem Hartsteinbohrer durchlochte.
    Dann schlief sie tief und traumlos bis zum Morgen. Frühzeitig strebte sie ihrem Werkplatz zu. Unterwegs fand sie an einer verlassenen Feuerstelle zu ihrer großen Verwunderung ein Zweigstück, das dem im Traume geschauten glich. Sie schliff und bohrte, bis die lange Webnadel fertig war, wie sie sich's hatte träumen lassen.
    Um die Längsfäden zu spannen, band sie nicht mehr Steine daran, das dauerte viel zu lange. Sie ersetzte sie durch länglichrund geformte Lehmgewichte, die sie aneinem Ende durchlochte und in der Sonne trocknete. Am nächsten Tag war es soweit, mühelos ließen sich die Lehmklunker an die Fäden binden, und dann begann sie zu arbeiten, sehr hastig, um die verlorene Zeit hereinzubringen. Aber die neuen Fadengewichte waren spröde und zerbrechlich. Zwei davon, die etwas heftig aneinanderschlugen, brachen an der durchlochten Stelle auseinander und mußten doch wieder durch Steine ersetzt werden. Von da an arbeitete Eva sehr behutsam – und es ging. Der durch das Aufwickeln auf die Webnadel kurz gewordene Querfaden ließ sich flink über und unter die Längsfäden führen. Die locker eingelegten Querfäden schob sie mit einem groben Kamm von halber Armlänge zusammen; den hatte sie sich aus einem flachgeschabten Holzstück und daran festgebundenen Querstäben gebastelt.
    Eva arbeitete bis zur Dämmerung. Erst hatte sie nur ein Schultermäntelchen machen wollen, jetzt aber war sie dabei, ein ärmelloses Leibchen herzustellen. Es sollte aus zwei Teilen bestehen, die über den Schultern so weit aneinandergenäht wurden, daß der Kopf hindurchging. Auch für die Arme mußten links und rechts breite Schlitze bleiben, unter denen das Vorderteil mit dem Rückenteil zusammengeheftetwurde. Nach zwei Tagen unverdrossener Arbeit war das Gewebe fertig, die Fransen des unteren Randes waren zu einem losen Maschengewebe kreuz und quer verflochten und mit Knoten abgeschlossen. Eva tauchte das Bastleibchen ins Wasser, klopfte dann alle Knoten flach und legte es an, feucht wie es war, zog und zupfte daran, bis es paßte, und überließ es ihrer Körperwärme, das neue Kleidungsstück am Leibe zu trocknen.
    Vor lauter Arbeitseifer hatte sie in den letzten Tagen zuwenig gegessen. Von Hunger gepeinigt, redete sie sich ein, es müßten ja nicht gerade Muttertiere sein, die Peter oben briet, und lief quer über das Steinfeld dem Moorbach zu, wo sie Rauch aufsteigen sah. Unterwegs zog sie die verwelkten Blumen aus ihrem Stirnband und ersetzte sie durch große Maßliebchen. Am Moore angelangt, fügte sie weiße, duftende Narzissen hinzu. Es war hoher Mittag, schwer lag die Hitze über dem stillen Grund, kein Vogel ließ sich hören. Eine weiche Stimmung kam über Eva; sie machte sich Vorwürfe, daß sie Peter so schlecht behandelt hatte. Was wäre aus ihr im Winter geworden, wenn sie ihn nicht gehabt hätte? Grob war er ja, war er aber nicht auch gut? Wie er sie wohl aufnehmen würde, wo sie ihn unlängst so schroff
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher