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Im Pfahlbau

Im Pfahlbau

Titel: Im Pfahlbau
Autoren: Alois Theodor Sonnleitner
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seinem Bergstock verursachte, verschwand der siegreiche Bock in der Wand. Nach einer lebensgefährlichen Kletterei über vereiste Stellen langte Peter mit zerschundenen Knien und blutenden Händen an der Salzwand an und füllte ein Rehfell zur Hälfte mit dem kostbaren Gewürz. Dann suchte er auf Umwegen die Stelle der Schutthalde auf, wo der gestürzte Bock mit gebrochenem Rückgrat tot zwischenSteinblöcken lag. Mühsam schleifte er erst den Bock, dann den zurückgelassenen Salzschlauch heim. Eva war nicht da.
    Als er den neuen Salzvorrat in harzgedichteten Körben untergebracht hatte, kam sie. Flüchtig sah sie Peters Ausbeute an und hielt ihm einen Strauß Winterlinge entgegen, aus dem ein blühender Seidelbast ragte: »Da schau, der Frühling ist da.«
    Peter mußte lächeln. »Weißt du auch, daß der Seidelbast giftig ist?«
    »Wenn auch«, sagte Eva, »ich geb' die Blumen der Ahnl, die hat's gern heim'bracht von ihren ersten Ausgängen nach dem Winter.«
    Da füllte Peter drei kleine Bockshörner mit Wasser und bat sie: »Gib auch meiner Mutter und dem Ähnl von den Blumen.«
    Und als die einfachen Gefäße, zwischen Steinen eingeklemmt, mit den ersten Frühlingsboten vor den Ahnenbildern standen, verharrten die Höhlensiedler eine Weile schweigend davor und gedachten ihrer Toten.
     

Lenz
    Von Woche zu Woche wurde der Talgrund reicher an Blumen. Die Tage wurden länger. Als die Sonne dicht neben der Henne unterging, hatte sie den Ort wieder erreicht, an dem sie zur Zeit der Kastanienreife untergegangen war. Damals war es Herbst gewesen, jetzt war es endlich wieder Frühling. Tage und Nächte waren wieder gleich. Der Föhn, der Schneefresser, hatte die Halden des Heimlichen Grunds von allen Spuren des Winters reingeleckt,und im Walde hatte er das tote Holz aus den Kronen geräumt, manchen morschen Baumriesen hingestreckt. Die Laubbäume unter der Südwand prangten im Knospengrün, und aus den mageren Zweigen der Lärchen auf der Moorleiten sproßten die blaßgrünen Büschel junger Nadeln. Die Welt wurde von Tag zu Tag schöner. Die Kalkhalden der Salzleiten leuchteten im Schmuck der fleischroten Frühlingsheide und der duftenden Goldprimel, deren Blütendolden sich über weißbestäubten, saftstrotzenden Blattsternen auf schlanken Schäften wiegten. Duftschwaden strichen von den Hängen zu Tal, wo sie sich mit den Wohlgerüchen großblütiger Veilchen und nickender Frühlingsknotenblumen vermengten. Waldbienen und Hummeln flogen schwerfällig dahin mit ihren dicken Höschen voll Blütenstaub.
    Auch Peter und Eva waren im Sonnenschein stets unterwegs. Aber nicht sorglos trabten sie dahin; er trug seine Waffen und sie den Feuerkorb, stets gefaßt, es mit den Bären aufnehmen zu müssen, die den Talkessel unsicher machten. Doch wenn sie mit ihren Grabhölzern und holzgeschäfteten Steinmessern die noch zarten Blattsterne der Wegwarte, des Maßliebchens, des Wegerichs, des Baldrians, die üppigen Stauden der Brunnenkresse und die weichen Ranken der Gundelrebe als Wildgemüse ausstachen, folgten ihre Blicke den summenden Bienen und gaukelnden Faltern.
    Auch der Geröllboden des Steinfeldes war nicht schmucklos. Lichthungrig reckte der Huflattich seine zartbeschuppten Stengel mit den hellgelben Blütenkörbchen der Sonne entgegen. Und am Waldrand schimmerten die weißen Blütendolden des Bärenlauchs, dessen breite, fettig glänzende Blätter so stark rochen.
    Eva freute sich über den Gesang der Vögel, über die Balz der Waldhühner, Peter aber wollte jagen. Eier und Fleischwollte er haben, frisches Fleisch und nicht mehr die ausgetrockneten, scharfgebeizten Reste der Wintervorräte! Es behagte ihm nicht mehr, sich hauptsächlich von Kräuter- und Wurzelmus zu nähren, wie es Eva in ihrer Freude am langentbehrten Gemüse tat. Oft stand er mitten in der Nacht auf und ging auf die Jagd.
    An einem hellen Morgen trug er einen Auerhahn heim und prahlte damit, daß er ihn in der Frühdämmerung während des Hennenlockens erlegt hatte. Wochen später brachte er eine Auerhenne, die er beim Brüten erschlagen hatte. Eva war empört darüber, daß er nicht einmal eine brütende Vogelmutter verschonte. Der Auerhahn war zäh und die Henne mager. Peter freute sich auf die rotgelben, dunkelgetupften Eier. Es waren fünf Stück. Als Eva das erste öffnete, fiel ein Küken heraus, das aber noch nicht lebensfähig war. Die noch weichen Beinchen konnten den Leib nicht tragen, matt ließ es das Köpfchen hängen. Obwohl Eva das
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