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Im Morgengrauen

Im Morgengrauen

Titel: Im Morgengrauen
Autoren: Christine Béchar
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laufen.
     

    Als ich schwer beladen die Wohnung betrat, kam mir Yannick entgegen. Er nahm mir die Getränke ab und folgte mir in die Küche, wo er mich küsste.
    „ Was ist mit dir? Etwas bedrückt dich, ich spüre’s.“
    „ Ich habe euch vorhin gehört“, sagte ich leise. „Entschuldige, ich wollte nicht lauschen. Als ich aber merkte, dass ihr über mich sprecht, konnte ich nicht anders.“
    Ich streichelte ihn dabei am Arm und konnte keine Spur von Verärgerung spüren, nur Entschlossenheit. Er nahm mich an der Hand und zog mich hinter sich in den kleinen Raum, wo er die Tür hinter uns zumachte.
    „ Wenn du dir wegen London den Kopf zerbrichst, werden wir gleich wissen, ob es sich lohnt.“
    Er holte den Brief aus seiner Hosentasche hervor und riss ungeduldig den Umschlag auf. Nachdem er ihn fast vierzig Minuten an seinem Hintern getragen hatte, schien er jetzt nicht mehr abwarten zu können, den Inhalt zu erfahren. Ein Lächeln zeichnete sich in seinem Gesicht, während er den Brief las.
    „ Wie ist dein Englisch?“, fragte er schließlich.
    „ Gehst du doch?“, meinte ich traurig.
    „ Nicht wirklich! Ich bekomme aber einen Fuß in die Tür.“
    „ Hör auf, um den heißen Brei herumzureden.“
    „ Sie haben keinen offenen Posten. Selbst wenn, würden sie mich nicht einstellen. Um einen Vertrag bei ihnen zu bekommen, muss man entweder ein Praktikum bei ihnen gemacht haben, oder als Freiberufler für sie tätig gewesen sein … Oder einen Namen haben. Na ja, das wird nicht erwähnt. Wie auch immer, ich soll mich wieder melden, falls ich an einem Praktikum interessiert bin. Und ob ich das bin! Das heißt, wir können in Paris bleiben … aber auch, dass ich nicht die ganze Zeit bei dir sein kann. Macht dir das Angst?“
    „ Nein, wenn ich erstmal zur Schule gehe, werde ich beschäftigt sein. Wieso hast du gefragt, wie mein Englisch ist?“
    „ Ich wollte sehen, wie du reagierst.“
    „ Idiot!“
    „ Ich liebe dich auch.“ Was er mit einem Kuss unterstrich. „Eigentlich sagte ich das nicht, um dich zu necken … Na ja, vielleicht doch ein bisschen ... Wenn du beschließt, mit mir zusammenzuleben, solltest du wissen, dass ich gerne ins Ausland möchte. Es ist nicht sicher, dass ich das tue, aber denkbar. Ich muss wissen, wie du dazu stehst.“
    „ Ich würde dir überallhin folgen.“
    „ Dann hast du ein Jahr, um dein Abi zu machen und an deinem Englisch zu feilen.“
    „ Ich habe mir sagen lassen, der beste Weg, eine Sprache zu lernen, sei auf dem Kopfkissen.“
    „ Dann sollten wir viel Zeit im Bett verbringen. I love you Baby.“ Seine Lippen machten sich dran, es unter Beweis zu stellen. Schließlich unterbrach er urplötzlich die Zärtlichkeiten.
    „ Lass uns zu Greg gehen!“
    „ Er mag mich nicht.“
    „ So ein Blödsinn! Ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich nicht einmal Gedanken darüber gemacht hat. Wenn Greg eine Frau kennenlernt, fragt er sich nicht, ob sie nett ist, sondern wie sie wohl im Bett ist. Ich kann mir vorstellen, was heute Morgen in seinem Kopf vorgegangen ist, als er dich gesehen hat. Er dachte bestimmt:
Mann, ist die hübsch, schade, dass sie Yannicks Freundin ist.
Das, was er vorhin gesagt hat, hat absolut nichts mit dir zu tun. Er macht sich Sorgen um mich, das ist alles. Komm, wir werden ihn gleich beruhigen.“
    „ Ich dachte schon, du würdest mich die ganze Arbeit allein machen lassen“, warf ihm Gregory vor, als wir das große Zimmer betraten.
    „ Lies das! Du wirst dich besser fühlen.“ Yannick überreichte ihm den Brief.
    „ Wenn ich recht verstehe, sind die Turteltauben glücklich.“
    Der Sarkasmus in seiner Stimme war nicht zu überhören.
    „ Und wie!“, bestätigte Yannick.
    Unerwartet küsste er mich ungestüm, ohne die Anwesenheit seines Freundes zu beachten. Es sei denn, sein Eifer galt explizit Gregory.
    Dieser räusperte sich schließlich: „Können wir bitte weitermachen?“
    „ Mir ist gerade etwas eingefallen. Lilly, wäre es nicht sinnvoller, wenn wir die CDs nicht nur alphabetisch, sondern auch nach Musikrichtung einräumen würden?“, schlug Yannick vor.
    „ Bei so vielen CDs wäre es schon hilfreich“, gab ich zu.
    „ Ohne mich!“, protestierte Gregory. „Ist dir klar, wie lange wir dafür brauchen werden?“
    „ Immer mit der Ruhe, so wild ist das nicht. Wir fangen mit Rock an, der macht ohnehin achtzig Prozent aus. Bei den CDs, die wir bereits einsortiert haben, müssen wir nur die herausholen, die fehl
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