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Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)

Titel: Im Mondlicht (Phobos) (German Edition)
Autoren: Michael Schuck
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hinunterzustürzen und das sich liebende Paar mit Gewalttätigkeiten zu überziehen. Dann jedoch tauchte, zunächst unklar und dämmerig, ein völlig anderer Gedanke in Daniel auf. Mühsam riss er seine Augen von dem sich liebenden Paar los. Er schlich in sein Zimmer am Ende des langen Flures und holte leise wie ein Schatten seinen alten Fotoapparat aus seinem Zimmer. Der DIN 32 Film müsste eigentlich reichen, das Kerzenlicht im Wohnzimmer zu nutzen und einigermaßen erkennbare Fotos zu schießen. Daniel schlich zurück und betätigte den Auslöser der Kamera mehr als dreißig Mal. Während er fotografierte, fragte er sich mit gewissermaßen objektiver Verwunderung, wo Lin all ihre Hemmungen, ihre Verspanntheiten, ihre Verkrampfungen gelassen hatte, die ihre eheliche Gemeinschaft über die Jahre hin immer wieder schwer behindert hatten. Die Wut in Daniel schlug zu hohen Flammen empor. Er schwitzte wie bei schwerer körperlicher Anstrengung. Aber etwas Eiskaltes, Hartes hielt ihn unter Kontrolle, das ihm sagte: Deine Stunde wird noch schlagen. Vorsichtig zog er sich zurück.
     
    *****
     
    Lin räkelte sich noch im Bett. Daniel war gegen drei nach Hause gekommen, aber schon wieder früh aufgestanden und zur Arbeit gegangen. Ihr erster Termin stand erst für elf Uhr an. Sie drehte sich noch einmal um und presste das satinbezogene Oberbett zwischen ihre Beine. Angenehme Erinnerungen zogen in ihr hoch: An diesen Abend mit Herwig und an seinen harten Kämpferkörper. Sie schätzte es sehr, dass er sich in Form hielt. Seine Höhepunkte beim Boxen hatte er gewiss hinter sich. Aber körperlich gesehen war er keineswegs schon aus dem Rennen. Trotz seines brutalen Berufes und seines Äußeren war er in der Liebe nicht als brutal einzustufen. Gerade der Kontrast zwischen der Härte seines Körpers und seinen sanften Bemühungen brachte Lin den unvergleichlichen Reiz, den sie immer mit dieser Affäre verbinden würde.
    Mühsam raffte Lin sich auf. Es mochte gegen neun Uhr morgens sein. Wahrscheinlich war es später. Sie taumelte mit mitleiderregenden müden Bewegungen die Treppe hinunter. Vor der Haustür lagen etliche Briefe, die durch den Postschlitz in der Türe gefallen waren. Lin bückte sich. Der seidene Morgenmantel glitt über ihre nackte Haut. Sie reagierte spontan. Eine Gänsehaut lief ihr von den Schultern bis zu den Füßen. Nachdenklich wog sie einen DIN-A5 Umschlag in der Hand, der ihr irgendwie aufgefallen war. Sie drehte ihn um: Kein Absender.
    Lin ging ein paar Schritte bis zur Spiegelgarderobe und legte die übrige Post auf die Ablage. Sie riss den anonymen Brief auf und mindestens fünf Hochglanzfotos flatterten auf den Boden. Fotografisch gesehen waren es keine sonderlich guten Fotos. Ziemlich grobkörnig und mit diesem gewissen Grünschimmer, der darauf hinwies, dass die äußerste Grenze der Belichtung erreicht gewesen war. Aber Lin erkannte Herwig und sich selbst genau. Heiß stieg es ihr in den Kopf. Jemand war im Haus gewesen, hatte sie beide beobachtet und fotografiert. Mit unruhigen Fingern zog Lin ein computergeschriebenes Blatt aus dem Umschlag.
    Sie las: "Natürlich erkennen Sie sofort, dass ich kein guter Fotograf bin. Aber ich wollte Ihre zärtliche Beschäftigung nicht durch einen brutalen Lichtblitz unterbrechen. Obwohl diese Fotos nicht sonderlich gut sind, wird Ihr Mann sich sicherlich sehr für sie interessieren. Falls Sie verhindern möchten, dass er sie sieht, schalten Sie jetzt die Außenbeleuchtung an Ihrem Haus an und lassen sie brennen. Ich melde mich dann wieder bei Ihnen."
    Lin brauchte nicht lange zu überlegen. Sie ging zur Haustüre und knipste die Außenbeleuchtung an. Sie wollte Zeit gewinnen. Dieser Erpressungsversuch wirbelte genau die Fragen in ihr auf, vor deren Beantwortung sie sich bis jetzt erfolgreich gedrückt hatte. Sie hatte bis jetzt knallhart in zwei Welten gelebt. In der einen lebte sie mit Daniel, in der anderen mit Herwig. Diese Welten hatten nichts miteinander zu tun. Jetzt drohte mit diesen fünf beschissenen Fotos eine Brücke zwischen ihnen geschlagen zu werden. Mit Grausen dachte Lin an ein Zusammentreffen zwischen Herwig und Daniel. Mit noch größerem Grausen dachte sie an die Folgen einer Ehescheidung für sich selbst. Daniel und Lin lebten in Gütertrennung und ihr Teil schien ihr im Vergleich zu Daniels wesentlich kleiner. Lin seufzte und begann sich langsam anzuziehen. Sie hasste diese Morgende, die so hektisch begannen.
     
    *****
     
    "Es tut mir
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