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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
Autoren: Alexander Lohmann
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nicht, dass du so eine Hülle hast?«
    Der Graubart lachte schnaubend. »Nicht die Art seiner Geburt erschafft einen Menschen. Wir haben es getan! Und die Hüter der Zitadelle erschufen wir ebenso wie unsere anderen Hüllen. Einem Geist von Gehenna bedeuten diese Unterschiede nichts.«
    Er schaute durch die Türen in die angrenzenden Räume. Mit jedem Augenblick wurde es heller. Gontas war inzwischen überzeugt, dass draußen tatsächlich der Morgen anbrach.
    »Hm«, sagte der Dämon, der einst der Anführer der graubärtigen Bewahrer gewesen war. »Dies sind die Kammern, in denen wir gewohnt haben. Unsere Herrin hat mich angewiesen, für deine Behaglichkeit zu sorgen. Doch irgendwer hat die Zimmer leer geräumt und das Wenige entfernt, was wir an Bequemlichkeit darin hatten.« Er sah Gontas an, als wäre dieser der Dieb.
    Gontas zuckte die Achseln.
    Dann trat der Graubart durch eine weitere Tür und hielt inne. »Wasss …«, zischte er.
    Gontas hörte schwache Laute aus dem Raum, ein saugendes, schmatzendes Geräusch, ein Rascheln wie von feuchten Tüchern. Er trat an die Seite des Graubarts. Ein dumpfer, schwerer Geruch schlug ihm entgegen, ein Geruch nach Blut und nach den Dünsten, die aus den Kloaken von Apis aufstiegen.
    In der Mitte der Kammer gab es einen großen Haufen Decken und Kissen, und darauf hockte eine Frau. Um sie herum … Gontas musste zweimal hinsehen, bevor sein Geist das groteske Bild erfassen konnte.
    Ein Mensch lag unter der Frau, doch er war aufgeschnitten und so zerlegt, wie Gontas es noch nie erlebt hatte. Die Haut war in Schichten zurückgeschlagen und entfaltete sich um den Körper wie blutige Blütenblätter. Die Gedärme und Innereien waren herausgeholt und um den ausgeweideten Mann herum angeordnet, und dazwischen erkannte Gontas immer feinere Formen: Muskeln, herausgezogen und ausgebreitet, Sehnen, Adern, die sich als zartes Netz um den Leib breiteten.
    Die Frau kniete nackt über dem zerschundenen Körper. Sie drehte sich zu den Ankommenden um. Ihre schuppige Dämonenhaut war bis zum Gesicht hinauf mit Blut beschmiert. Davon abgesehen war sie nur wenig verzerrt, und man konnte erkennen, dass sie einmal jung und hübsch gewesen sein musste, bevor der Dämon von Gehenna sie übernommen hatte und sie zu einem Teil dieses grausigen Bildes geworden war.
    Gontas’ Blick wanderte an der Frau vorbei und zu dem Antlitz des Mannes unter ihr. Der Mensch lebte noch! Sein Herz lag offen auf dem Brustkorb, und es schlug in mühsamen Stößen. In der aufklaffenden Brust waren auch seine Lungenflügel zu sehen. Schwarze Fäden liefen der Frau aus Mund und Nase, sie spannen sich bis zur Lunge und überzogen sie mit einem dünnen, zuckenden Gespinst, das Luft hineinpumpte. Atemzüge drangen durch die Nasenlöcher des halb gehäuteten Schädels, abgehackt und qualvoll verzerrt von den Resten der Muskeln, die am Kehlkopf hingen.
    Gontas sah die Augen des Mannes. Sie waren geweitet und rollten in stummer Pein in den Höhlen. Er kannte diesen Mann.
    Borija!
    Gontas klammerte sich an den Türrahmen.
    Die Dämonin sah die beiden, Gontas und den Graubart, an und zwinkerte. Sie rieb sich an ihrem Opfer, das eigentlich tot sein sollte, ganz sanft und ohne die ausgelösten Adern zu beschädigen.
    »Ist es nicht faszinierend? Seht her, wie viele Schichten sich in diesen Hüllen finden lassen! Und sie alle haben Empfindungen!«
    Sie fuhr über die bloßen Nervenenden, sie strich mit den Fingern über Muskeln, die nur durch die Blutgefäße am Körper hingen. Die Geräusche, die der zerstörte Leib von sich gab, veränderten sich.
    »Ich habe alles freigelegt«, sagte die Frau. »Aber ich fürchte, ich kann meinen Gespielen nicht mehr viel länger am Leben erhalten. Er wird sterben, bevor ich alles erkundet habe, was diese Welt zu bieten hat.«
    Gontas wandte sich ab. Er trat einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf. Er sah immer noch das grinsende Gesicht der Dämonin vor sich, und, was ihn am meisten erschüttert hatte, den Ausdruck von Unschuld darauf!
    »Du hast dich hier vor der Schlacht gedrückt«, stellte der Graubart fest. »Und du hast alle Decken besudelt!«
    Die Frau in dem Zimmer lachte auf. »Komm, Griesgram. Sind wir nicht den Flammen Gehennas entronnen, um diese Welt zu genießen? Schließt euch mir an, ihr beiden. Wir finden bestimmt viele neue Dinge, die wir mit diesen Körpern anstellen können.«
    Die Worte drangen nur noch dumpf an Gontas’ Ohren. Zorn stieg in ihm auf. Abscheu. Wie
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