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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
Autoren: Andreas Schramek
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bedrücken.
    «Ich weiß es nicht, Tutanchaton. Und ich weiß auch nicht, ob wir es jemals erfahren werden.» Erneut drückte ich das Kind, das mir so unsäglich Leid tat, fest an mich und streichelte über sein schwarzes Haar. Zwei zierliche Arme umfassten daraufhin meinen Hals, und mit all der Kraft, die er nur aufzubringen vermochte, klammerte sich der Junge an mich. Ich ahnte sein Bitten, sein inniges Flehen, ihn nicht allein zu lassen.
    «Ich bleibe bei dir. Glaube mir, Tutanchaton, dein Eje geht nicht weg. Das habe ich schon deinem Großvater und deinem Vater versprochen. Jetzt verspreche ich es auch dir.»
    Obwohl der Junge die Umarmung noch nicht gelöst hatte, erhob ich mich jetzt, und auch als ich stand, hielt er sich noch immer an meinem Hals fest und war nicht bereit, loszulassen. Es war gut so, denn jetzt brachten die Polizisten, die Mahu weggeschickt hatte, eine Krankenbahre und stellten sie neben dem leblosen Echnaton ab. Ich drehte mich ein wenig, damit Tutanchaton nicht sehen konnte, wie sie seinen Vater auf die Bahre legten. Denn wie ich befürchtet hatte, nahmen sie erst das Tuch vom Gesicht des Toten und hielten es den umherstehenden Menschen entgegen, bis sich die Alte, welcher es gehörte, zu erkennen gab und das blutbefleckte Tuch an sich nahm.
    Zu viert hoben sie die Bahre hoch, und erst jetzt fiel mir auf, dass die Augen Pharaos noch geöffnet waren. Ich trat näher, fuhr mit der Rechten über Echnatons Gesicht und schloss so für immer seine Augen. Ein wenig Blut klebte an meinen Fingern. Während sich die vier in Bewegung setzten, hielt ich für einenAugenblick inne, blickte auf meine rot gefärbten Fingerkuppen und überlegte, ob nicht auch im übertragenen Sinn Blut an meinen Fingern klebte. Gewiss, ich machte mir Vorwürfe, dass ich von Echnaton weggegangen war. Aber eine wirkliche Mitschuld am Tod Echnatons vermochte ich nicht zu erkennen.
     
    Mahus Polizisten sowie Soldaten der Leibgarde bildeten bis zum Palasteingang ein langes Spalier, sodass der kleine Trauerzug durch die inzwischen riesige und unruhige Menschenmenge ungehindert das Osttor des Stadtpalastes erreichen konnte. Erst jetzt öffneten sich langsam seine beiden goldbeschlagenen Flügel. Auf den der Stadt zugewandten Flächen war der Gute Gott abgebildet und über ihm Aton, dessen Strahlen auf Pharao niedergingen. Einer der Strahlen endete in einer Hand mit einem Anch, dem heiligen Zeichen für Leben. Aton hielt es vor die Nase Pharaos, damit dieser für immer den Hauch des Lebens atmete.
    Ich hörte, wie sich hinter uns das schwere Tor mit dumpfem Dröhnen schloss. Die Ruhe des Palasthofes tat nach all der Aufregung gut, denn über die gewaltigen Mauern hinweg war das Lärmen der Menschen kaum zu vernehmen. So umgab den Toten hier ein wenig jener Würde, die ihm gebührte, und die Pracht, die er geschaffen hatte, gab etwas von ihrem Glanz an ihren Schöpfer zurück. Kaum, dass wir das Innere des großen Audienzhofes erreicht hatten, eilten uns die Beamten und Höflinge, Dienerinnen und Diener, die als Erste vom Tod ihres Herrschers erfahren hatten, entgegen und stimmten eine laute Klage an. Männer und Frauen rauften sich die Haare, und Letztere kratzten zudem mit den Nägeln ihrer Finger über Brust und Gesicht. Mit weit aufgerissenen Augen starrten sie auf den Toten, und ich sah ihnen das Entsetzen über das unerwartete und grausame Ende Echnatons an. Manche von ihnen sahen immer wieder für einen kurzen Augenblick auf die Bahre, obwohl sie eben erst ihr Gesicht in ihren Händen verborgen hatten, als würden sie das Unfassbare nicht sehen und die Wahrheitnicht wahrhaben wollen. Immer mehr Menschen strömten in den Hof, sodass unser Zug um so langsamer vorankam, je mehr wir uns der Audienzhalle näherten. Jetzt sah ich auch Priester aus dem großen Atontempel, welcher auch Gempa-Aton hieß. Ich sah den Sandalenträger des Königs, zwei seiner Wedelträger und die Leibdiener Pharaos.
    Nun öffnete sich das Tor zum Audienzsaal, und nacheinander traten mein Freund Acha, der Schatzmeister Seiner Majestät, sowie Merire, der Erste Sehende des Aton, und der Polizeioberste Mahu auf die Plattform am oberen Ende der breiten Steintreppe, die jetzt vor uns lag. Tief betrübt sahen sie herab, bis sie ein wenig zur Seite traten, um meiner Schwester Teje, der Mutter des Königs, Platz zu machen. Die Furchen um ihren Mund schienen tiefer denn je, und unter der faltigen Stirn verbarg sie die Augen nahezu vollkommen hinter müde
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