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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
Autoren: Andreas Schramek
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seinem über allem stehenden Vater Aton weiter dienen konnte, ohne seinen Schwur, die Stadt niemals zu verlassen, brechen zu müssen.
    Konnte es eine innigere Liebe geben?
     
    Ich hätte wissen müssen, dass Mahu schon weiter gedacht hatte als ich. Während ich Prinz Tutanchaton in den Nordpalast brachte, hatte er nicht nur die Vernehmungen der Beamten und der Palastwachen fortgesetzt, sondern auch schon befohlen, dass ein schnelles Kriegsschiff klargemacht wurde, damit es nach Süden fahren und Nofretete die Nachricht vom Tod Echnatons überbringen konnte.
    «Sie warten nur noch auf deine Botschaft», sagte Mahu zu mir und wies auf einen Schreiber, der in Pharaos Arbeitszimmer mit einer Schreibbinse in der Hand hinter einem unberührten Papyrus saß.
    «Es ist der entsetzlichste aller Briefe, den Dein alter Vater Dir heute schreiben muss», begann ich mit jenen Worten, die ich mir auf der Fahrt zum Palast bereits zurechtgelegt hatte. In knappen Sätzen, denn zu irgendwelchen Gefühlsäußerungen war ich nicht imstande, beschrieb ich meiner Tochter, was vorgefallen war. Ich versicherte ihr, dass wir alles Erdenkliche zum Schutz ihrer Töchter unternommen hätten, und flehte sie an,nichts Unüberlegtes zu tun, damit sie sich nicht selbst in Gefahr brachte, wenn sie nach Achet-Aton kommen würde.
    «Denn bedenke», schrieb ich zuletzt, «dass das große Werk Deines Gemahls, welches ebenso Dein Werk ist und das einst Tutanchaton für Euch fortführen wird, der Gefahr ausgesetzt wäre, für immer zerstört zu werden!»
    Ich versiegelte den Brief mit dem Ring Echnatons, den er mir vor langer Zeit anvertraut hatte, und übergab ihn eigenhändig dem Schiffskommandanten, der schon ungeduldig vor dem Arbeitszimmer Pharaos gewartet hatte.
    In weniger als vier Tagen würde Nafteta meine Zeilen lesen.
     
    Nur die Großen des Landes durften sich im Audienzsaal des Palastes aufhalten, um vom Guten Gott Abschied zu nehmen. Aus acht Kohlebecken stieg in trägen Wolken Weihrauch empor, dessen heiliger Duft nach und nach jeden Winkel der gewaltigen Halle erfüllte, und mir schien, als wären es die leisen und traurigen Gesänge der Tempelsängerinnen, die das kostbare Rauchopfer nach oben trugen, damit sie dem Gott Echnatons huldigten. Vor dem verwaisten Thron Pharaos erinnerten die Doppelkrone der Beiden Länder, Geißel und Krummstab an den, der noch vor wenigen Stunden über Ägypten geherrscht hatte. Links daneben saß Meritaton, die älteste seiner sechs Töchter, die er in den Rang einer Großen königlichen Gemahlin erhoben hatte. Rechts, auf einem kleinen, eigens für das Kind angefertigten Thron, saß Tutanchaton, der in wenigen Tagen als Fünfjähriger das Erbe seines Vaters antreten würde. Meine Hände ruhten auf seinen Schultern, denn er sollte spüren, dass ich bei ihm war, wenn er in all die ernsten, auf ihn gewiss bedrohlich wirkenden Gesichter der Würdenträger, die neben der Bahre seines Vaters standen, sah. Und die Würdenträger der Beiden Länder sollten nicht einen Augenblick Zweifel daran hegen, dass nur ich es sein würde, der seine Hände schützend über den künftigen Horus hielt. Ich sah meine Schwester Teje, die starr am Kopfende der Bahre stand und unentwegt, als wäresie selbst eine Tote, die Blicke auf das Antlitz ihres toten Sohnes geheftet hatte. Die alte Frau hatte nach dem Tod ihres erstgeborenen Sohnes Thutmosis und wegen der demütigenden Verbindung ihres Gemahls zu der jungen Prinzessin Kija schon alle Tränen geweint, die sie zu vergießen hatte. So waren ihre bitteren Blicke, die tiefen Furchen um ihren verkrampften Mund und ihre gebückte Körperhaltung alles, was sie jetzt an Trauer um ihren Sohn Echnaton zeigen konnte.
    Ich sah meine jüngere Tochter Mutnedjemet, Acha und Mahu, Aper-el und Haremhab, den Oberbildhauer Thutmosis, Men und Bek, die obersten Bauleiter Pharaos, den Schreiber Maja, den Ersten Sehenden des Aton Merire mit all seinen Priestern, die Wedelträger und den Sandalenträger Seiner Majestät und all die anderen, deren hoher Rang es ihnen erlaubte, sich hier in der großen Audienzhalle aufzuhalten. Immer wieder blickten sie auf den jungen Prinzen, der, um wenige Ellen erhöht, vor ihnen auf seinem kleinen Thron saß, und ich ahnte, welche Gedanken durch ihre Köpfe gingen. Ließen sie von dem Knaben ab und trafen sich ihre und meine Blicke, benahmen sich die meisten von ihnen so, als hätte ich sie bei etwas ertappt, was ich besser nicht gesehen hätte. Dann blickten sie
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