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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
Autoren: Andreas Schramek
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Schreckens tauchten wieder und wieder vor meinen Augen auf.
    Anchesen-paaton, aber auch ihre ältere Schwester brachten kein Wort mehr hervor. Ihre Blicke waren starr zu Boden gerichtet, und es dauerte nur wenige Augenblicke, ehe die ersten Tränen aus den jetzt immer kleiner werdenden Augen rannen.
    Erst jetzt, als ich die weinenden Mädchen vor mir sah, kam mir Nafteta, wie wir meine Tochter von Geburt an nannten, in den Sinn, und ich schämte mich zutiefst, dass ich während all der Stunden seit Echnatons Tod nicht ein einziges Mal an sie gedacht hatte. Ich hatte mir nicht klargemacht, in welcher Gefahr sie sich in Waset befinden konnte, welchem Schicksal sie zur gleichen Zeit, als sich ihr Gemahl von den Zinnen seines Palastes gestürzt hatte, ausgesetzt gewesen sein mochte. Hatte man vielleicht auch sie bedrängt, ihr gar mit ihrem und dem Tod ihrer Kinder gedroht? Wie konnte es nur geschehen, dass ich, den sonst alle für so besonnen hielten, Nofretete einfach vergessen hatte!
    «Wir müssen in den Palast gehen», sagte ich gereizt zu den Kindern, wobei mir der Ärger über mein Versäumnis gewiss anzusehen war. Durch die Hast und die Aufgeregtheit, die ich verbreitete, nachdem ich mich erhoben hatte, riss ich sie aus ihrer stillen und nachdenklichen Trauer, in welche sie gerade erst gefallen waren. Ich hatte sie so erschreckt, dass sie mich mit weit aufgerissenen, verängstigten Augen ansahen, und Tutanchaton ergriff sogleich wieder meine Hand, um sie nicht mehr loszulassen, bis wir die Gemächer im Westflügel des Palastes erreicht hatten. Überall begegneten uns weinende und verängstigte Beamte und Diener, denn auch hier hatten zwischenzeitlich allevom Tod des Guten Gottes erfahren. Mehr als sonst und in geradezu unterwürfiger Weise verneigten sie sich im Vorübergehen vor dem kleinen, noch so unscheinbaren Horus, vor ihrem künftigen Herrscher Tutanchaton.
    «Ihr müsst euch waschen und umkleiden», sagte ich zu Tutanchaton und seinen Schwestern, «denn wir müssen noch vor Sonnenuntergang in den Stadtpalast zurückkehren. Dort werden wir von eurem Vater Abschied nehmen. Alle Großen des Landes werden dort sein», fuhr ich, nun dem Prinzen zugewandt, fort. «Du musst deswegen sehr tapfer sein. Denn sie alle sehen in dir den künftigen Herrscher der Beiden Länder, den Nachfolger deines Vaters. Und auch wenn du noch nicht so groß bist wie sie, wenn du in ihren Augen vielleicht noch ein kleiner Junge bist, müssen sie Achtung haben vor dir, als wärest du schon ein mächtiger und gewaltiger Herrscher.»
    Der Junge nickte, und an seinem ernsten und nachdenklichen Gesicht erkannte ich, dass er sich seiner schweren Aufgabe an der Bahre seines Vaters bewusst war.
    «Ich muss euch jetzt allein lassen, denn ich habe noch einiges mit Aper-el und Mahu zu besprechen. Der Vorsteher der Leibgarde wird euch mit vielen Soldaten hier abholen und zum Stadtpalast bringen. Ihr müsst also nichts befürchten!»
    Ich umarmte kurz jeden von ihnen und verließ hastig den Raum. Draußen gab ich dem Vorsteher der Prinzengemächer Anweisung, die Kinder niemandem außer dem Obersten der Leibgarde anzuvertrauen, und machte mich sofort auf den Weg zurück in die Stadt.
    Der Offizier hatte alle Mühe, unseren Wagen durch all die aufgeregten und trauernden Menschen hindurch zum Palast zu lenken, doch ich bekam von alldem nur wenig mit. Zu sehr war ich jetzt in Gedanken bei Nofretete und ihren drei kleinen Töchtern. Zu sehr war ich damit beschäftigt, mir vorzustellen, wie es ihr gerade ergehen mochte.
    «Es ist der entsetzlichste aller Briefe, den Dein alter Vater Dir heute schreiben muss», sprach ich vor mich hin und geriet auchgleich ins Stocken, weil mir die richtigen Worte für den Brief, den ich ihr schon bald würde schreiben müssen, nicht einfallen wollten. Wie groß und wie rein war die Liebe zwischen diesen beiden Menschen, zwischen Echnaton und Nofretete, gewesen! Ich erinnerte mich der rührenden Zärtlichkeiten, die sie sich vor aller Augen entgegenbracht hatten. Die Menschen sollten sehen, wie sehr sie füreinander geschaffen waren, wie sie sich – wo immer es nur ging – an den Wänden von Palästen und Tempeln, und sogar in den Gräbern ihrer Untertanen, liebevoll berührten, sich Speisen und Getränke reichten, mit Salböl einrieben oder die Kinder, die auf ihrem Schoß saßen, zärtlich liebkosten. Nur aus Liebe zu Echnaton ging Nafteta als Pharao Semenchkare nach Waset, damit ihr Gemahl in Achet-Aton bleiben und
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