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Im Land der Regenbogenschlange

Im Land der Regenbogenschlange

Titel: Im Land der Regenbogenschlange
Autoren: Altmann Andreas
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Zeitgenossen beneidet, die mit ein paar wenigen Gedanken über die Runden kommen. Was hat die Menschheit nicht alles unternommen, um Schönheit, innen und außen, zu finden. Dabei wäre alles so einfach, ein Bett und ein Wasserhahn genügten.
    Dennoch, das wird ein angenehmer Flug. Herr Abed sitzt neben mir. Ein Arzt aus Malaysia, der sich in Frankreich verliebt hat, dort ein Sommerhäuschen besitzt und eines Tages, mitten in einem Wutanfall, innehielt und sich fragte: »Was tue ich gerade?« Seitdem erregt er sich nur noch »innerlich«, sagt sich gefasst: »I walk away«. Er geht weg, entfernt sich vom Ärger, lässt ihn stehen. »Wie einen keifenden Patienten.« Zwölf Stunden lang schiele ich immer wieder auf einen Mann, der sich vorgenommen hat, anders mit seinem und anderer Leute Leben umzugehen. Er zieht keine Pumpgun, keinen Dolch, er zieht Leine, will immer elegant bleiben. Die Wut soll verpuffen, nicht explodieren.
    Zwischenstopp am Flughafen von Kuala Lumpur. Suche nach einem Ort, wo man (noch) rauchen darf. Den es tatsächlich gibt, die Smoking Lounge . Tische, Stühle, zwei Getränkeautomaten, sogar eine Entlüftung funktioniert. Hier wirtschaftet kein sadistischer Flughafenchef, der einen Raum zur Verfügung stellt, den man mit ein paar Handgriffen zur Gaskammer hochrüsten könnte. Die Bude ist voll, alle scheinen gut gelaunt, eine Insel der Seligen, auf der munter kommuniziert wird. Kein Kommunikationsmittel verdammt uns zum Schweigen. Man denkt sogleich an die Go-West -Werbung. Die muskulöse Tattoo-Frau spricht mit der malayischen Stewardess in ihrem hübschen Kebaya. Chinesen, Inder, Bangladeshi, Gutbetuchte, 18-Jährige mit Rucksäcken, Klomänner, Klofrauen, Saudis, Schwarze, kleine Leute, große Leute, schöne Paare, ex-schöne Paare, Rolexträger und Sandalen-Jünger, Piloten in schicken Uniformen und Handelsvertreter mit schweren Aktenkoffern, sie reden, sie hören zu. Eine betagte Muslimin mit Kopftuch zieht lässig eine Marlboro-Schachtel aus ihrem Umhang, inhaliert, diskutiert, vergisst bisweilen die Zigarette im rechten Mundwinkel. Alles an ihr wirkt mondän, unkriegerisch, religionsfern, ganz offensichtlich predigt sie keinen heiligen Krieg, sondern bekennt sich öffentlich zur Sünde.
    Wir kommen gut miteinander aus, das Gefühl der Zusammengehörigkeit verbindet, wie Aufsässige und Dissidenten dürfen wir uns fühlen. Ist uns doch allen bewusst, dass wir seit einiger Zeit die einzige Rasse sind, die täglich und weltweit verfolgt wird. Immerhin haben wir für Momente einen Ort gefunden, wo wir von den schrillen Aufrufen der Fitness-Ayatollahs verschont bleiben. Rauchen ist ungesund, aber ja doch – und entspannt, verführt zu einem Lächeln. Umso mehr, wenn der Blick durch die Glasscheibe fällt, vor der die kugelrunden Nichtraucher vorbeischnaufen, gewiss heimlich von einer radikalen Entschlackung träumend.
    Mir fällt das Wort »Fickbomber« ein, das ich von einem Lufthansa-Kapitän gelernt habe. Jene Flugzeuge, in denen überwiegend Männer sitzen, die auf der Suche nach Sex nach Mombasa oder Phuket oder Manila jetten. Bald haben wir die »Smokebomber«. Damit dürfen wir Raucher auf eine Insel fliegen, wo sich ein rebellischer Häuptling entschlossen hat, uns für die Dauer von ein paar Schachteln Nikotin Asyl zu gewähren.
    Nochmals sieben Stunden Flug, diesmal neben einem leutseligen Australier, der als Ingenieur in Malaysia arbeitet und beiläufig erzählt – der Essensservice wird gerade wegen starker Turbulenzen abgebrochen –, wie er kürzlich die Leiche seines Freundes identifizieren musste, der bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. Eine Leiche, der zwei Beine fehlten.
    Das wird sich noch oft bestätigen. Aussis haben eine Begabung zu schwarzem Humor, kaltblütig reden sie von der Wirklichkeit. Jack ist der erste Australier, den ich auf dieser Reise treffe. Und er ist freundlich und hilfsbereit (nach dem Schauermärchen lädt er mich zu einem Martini ein). Schöne Vorurteile, denen selten einer widerspricht. Denn ein Fremder braucht den Beistand des Ansässigen. Wie ein Spurenelement führt er ihn durch die Fremde.
    Spätabends Ankunft in Sydney, »Welcome« steht in dem Zug, der in die Stadt fährt. Der Wind faucht, hier haben sie Winter, es regnet, die letzten Meter auf der George Street führen an Kneipen
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